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Sechs Zumas im Team
der »Kaizer Chiefs«

Trainer Ernst Middendorp schwärmt von Johannesburg

Von Werner Jöstingmeyer
Bielefeld (WB). Ein Weltenbummler war er immer schon. Nach den Stationen Hearts of Oak in Ghana und Trackorsasi Täbris im Iran ist Ernst Middendorp seit einem halben Jahr »Head Coach« beim südafrikanischen Nobelklub Kaizer Chiefs in Johannesburg. Und der 47-jährige Fußballlehrer fühlt sich ausgesprochen wohl. »Wer hier einmal gearbeitet hat, möchte nie wieder weg«, sagt er.

Den kurzen Weihnachtsurlaub nutzte Middendorp auch zu einem Besuch in Bielefeld. Es tue ihm zwar leid, dass er im Sommer letzten Jahres Arminia einen Korb geben musste, aber er habe bei Kaizer Chiefs im Wort gestanden, versichert »Power-Ernst«. Bereut hat er sein Engagement in der südafrikanischen Diamantenstadt bisher nicht. Middendorp schwärmt in den höchsten Tönen: »Es übertrifft alles, was ich bisher erlebt habe.«
Rein sportlich hat er allerdings ein sehr schweres Erbe angetreten. In den letzten beiden Jahren feierte sein neuer Klub jeweils die südafrikanische Meisterschaft. Weil viele Stars in die Jahre kamen, musste Ernst Middendorp die Mannschaft völlig umkrempeln. Sieben ehemalige Leistungsträger wurden aussortiert, einige junge Talente neu verpflichtet. »In meinem 40-köpfigen Kader ist jetzt kaum ein Spieler älter als 23 Jahre«, stellt er fest.
Dennoch rangiert Kaizer Chiefs derzeit hinter Mamelodi Sundowns (37 Punkte) und Orlando Pirates (36) mit 32 Zählern aus 19 Pflichtspielen an dritter Stelle. »Die beiden Duelle mit dem Spitzenreiter stehen noch aus«, hegt Middendorp durchaus Ambitionen auf eine erfolgreiche Titelverteidigung. Die einzige Niederlage bei elf Unentschieden und sieben Siegen kassierte seine Mannschaft im November gegen den Rangfünften Silver Stars. Als der Klub aber wenig später das Verfolgerduell beim Tabellenzweiten Orlando Pirates vor knapp 70 000 Zuschauern mit 1:0 gewann, war die Fußballwelt in der knapp Vier-Millionen-Stadt Johannesburg wieder in Ordnung.
»Fußball ist hier für die Zuschauer in erster Linie Entertainment. Sie wollen durch viele Kabinettstückchen auf dem Rasen unterhalten werden«, erklärt Middendorp und erinnert an Arminias Sibusiso Zuma. »Von diesem Kaliber habe ich sechs Spieler. Die Fans sind begeistert, wenn die selbst bei einem 0:2-Rückstand noch zaubern. Erst beim Schlusspfiff merken die Zuschauer plötzlich, hoppla, das Spiel wurde ja verloren und machen dann ein bisschen Randale.«
Disziplin, Ordnung und eine gewisse Strategie sind die Tugenden, die Ernst Middendorp als erster deutscher Vereinstrainer in Südafrika dem neu formierten Team des amtierenden Meisters beibringen soll. Zuma habe die Disziplin auch erst beim FC Kopenhagen durch einen europäischen Coach gelernt, unterstreicht Arminias »Ex« das gestiegene Ansehen der deutschen Trainer im Ausland. »Wir alle müssen Otto Rehhagel unendlich dankbar sein, dass er mit Griechenland Europameister wurde.«
Mit seinem deutschen Co-Trainer Frank Erlberg, der ihm schon in Ghana und im Iran zur Seite stand, ist Ernst Middendorp auf dem besten Weg die Erfolgsstory des Privatklubs Kaizers Chiefs fortzuschreiben. Sein Vertrag gilt bis zum 30. Juni 2007. »Eine Verlängerung ist nicht ausgeschlossen. Schließlich herrscht in Südafrika im Hinblick auf die Weltmeisterschaft 2010 eine riesige Euphorie«, stellt der Weltenbummler fest.
Trotz der hohen Kriminalitätsrate fühlt sich Middendorp in Johannesburg sehr sicher. Er könne sich überall normal bewegen, wohne ohne Bodyguards in einem wunderschönen Haus und genieße jeden Tag die erstklassigen Verhältnisse im Klub, widerspricht er einem Bericht in einer deutschen Zeitung, die kürzlich eine Story über den südafrikanischen Fußball titelte: »Schreckliche Wahrheiten - WM-Ausrichter Südafrika als Problemfall.« Dazu Ernst Middendorp: »Ich habe den Autoren angerufen. In den Stadien muss niemand um sein Leben fürchten.«

Artikel vom 10.01.2006