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Deutsche »Gastarbeiter«
im Malediven-Paradies
»Lipper Jung'« ist Küchenchef - Tauchlehrer seit gut 25 Jahren im »Laguna«
Herbert Unger gehört nicht zu den Tauchern, die geringschätzig auf die Schnorchler herabblicken -Êim Gegenteil! In diesen Wochen ist er öfter als sonst ohne Flaschen und Lungenautomat am Riff der Malediven-Insel Velassaru zu finden.
Seit mehr als 25 Jahren ist Unger dort Tauchlehrer und gehört beinahe schon zum Inventar des Resorts »Laguna«. Auch ihn traf die Krise, als vor etlichen Jahren das Klimaphänomen »El Niño« die Korallen erbleichen und absterben ließ. Doch auf dem flachen Hausriff von Velassaru regt sich neues Leben -Êund wie! Überall sind neue Korallen zu sehen.
Sogar einige der auf den Malediven nicht eben häufigen Weichkorallen finden die Lebensbedingungen dort wieder akzeptabel. Stirnrunzeln allerdings, als er einen Dornenkronen-Seestern sieht: Der muss sofort vernichtet werden. »Ein gefährlicher Schädling, der an anderen Orten der Welt schon für großflächiges Riffsterben gesorgt hat! Der darf sich hier nicht ansiedeln, sonst ist der zarte Neubeginn gleich wieder gefährdet«, sagt Unger, der in der Tauchschule von seiner Frau Petra und Yusuf Moosa, dem ersten Malediver, der in dem Inselstaat die Tauchlehrerlizenz erwarb, unterstützt wird.
Auf diese Insel im Süd-Male-Atoll hat es vor einigen Wochen auch den gebürtigen Detmolder Jörg Walter verschlagen -Êund zwar als Küchenchef. Der »Lipper Jung'« ist familiär vorbelastet: Sein Vater war Hotelkaufmann, arbeitete im Kurhotel Bad Meinberg und machte sich später mit mehreren gastronomischen Betrieben in Horn, Höxter und Bad Driburg selbständig.
»Das für unseren Beruf typische Herumzigeunern habe ich praktisch von frühester Jugend erlebt«, lacht Walter, der sich noch an seine Lehre in Bad Karlshafen erinnert - danach verließ er Deutschland und kehrte beruflich nie wieder ins Land zwischen Nordsee und Alpen zurück. Grindelwald, Bern und Lugano hießen seine Stationen, ehe er in der berühmten schottischen Nobelherberge »The Balmoral« erstmals Grandhotel-Luft schnuppern durfte. Von dort ging es zügig weiter auf der Karriereleiter -Êals Sous Chef ins »Jebel Ali«, dem damaligen Top-Hotel von Dubai, und dann in Londons Nummer 1, das »Dorchester«. Dort durfte er nicht nur für Bankette der königlichen Familie kochen, sondern auch für Staatsempfänge, beispielsweise für Nelson Mandela. Wenn der Sultan von Brunei (ihm gehört das »Dorchester«) in London weilte, war Jörg Walter sein Leibkoch.
Doch der Lipper verspürte den Drang nach Asien -Êund wechselte ins »Conrad«, ein Wolkenkratzer-Hotel in Hongkongs Bankenviertel. Damals wusste er jedoch noch nicht, dass er später einmal Hongkong zu seinem Lieblingsort auf der Welt küren würde - und wanderte nach Israel weiter. Im »Jerusalem Hilton« kochte er für Bill Clinton und Michail Gorbatschow, war mit ihnen sogar im Fernsehen zu Gast.
2001 konnte er dann den entscheidenden Schritt auf der Karriereleiter machen: Nach nur drei Monaten im Raffles-Swissotel von Kairo wurde er dort »Executive Chef«, also die Nummer 1 der Küchen-Hierarchie. Über das »Millenium Copthorne« in Abu Dhabi - dort lernte er seine Frau, die gebürtige Chinesin Yaya, kennen - kam er Ende 2005 dann auf die Malediven. »Ich wollte endlich mal in einem Ferien-Resort arbeiten.«
Seine Schwester, die immer noch im Lipperland ansässig ist, will er dieses Jahr mal besuchen -Êaber beruflich zieht ihn nichts mehr nach Deutschland. »Am liebsten würde ich mit meiner Frau in China leben und arbeiten.« Walter hat inzwischen auch ein besonderes Faible für die asiatische Küche entwickelt. »Und zwar für unverfälschte landestypische Gerichte, nicht diesen mittlerweile wieder aus der Mode gekommene Mix aus asiatischer und mediterraner Küche.«
Und so bietet er den Gästen des »Laguna« auch wunderbare maledivische Curry-Spezialitäten an - auf der Basis von Hühnchen, Lamm oder dem herrlichen Gelbflossen-Thunfisch, einer ausgemachten Delikatesse. Die schmeckt nach dem Unterwassererlebnis am Riff von Velassaru besonders gut, wenn sie auf einem mit Blüten geschmückten Tisch direkt am Ufer serviert wird.
Thomas Albertsen

Artikel vom 01.04.2006