05.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Am 18. bleiben Arztpraxen dicht

Mediziner beteiligen sich an bundesweitem Protestag - Nur Notdienste

Dr. Klaus Reinhardt rechnet mit einem fulminanten Aktionstag.
Bielefeld (sas). Der Notfall- und Schmerzpatient wird am 18. Januar versorgt, und für akute Fälle steht die Notfallpraxis an der Oelmühlenstraße schon morgens parat. Routinetermine aber, Vorsorgeuntersuchungen, Überweisungen oder Rezepte wird es an diesem Mittwoch in zwei Wochen in Bielefeld kaum geben: Denn die Mehrheit der niedergelassenen Ärzte wird dann die Praxen geschlossen halten.
»60 bis 80 Prozent unserer Kollegen werden am 18. Januar an dem bundesweiten Aktionstag teilnehmen und zu einem großen Teil auch nach Berlin fahren«, kündigt Dr. Klaus Reinhardt, niedergelassener Mediziner und Landesvorsitzender des Hartmannbundes Westfalen-Lippe, an. Über alle Fachgruppen hinweg haben gut 25 Ärzteverbände - vom Hartmannbund über Virchowbund bis zur Freien Ärzteschaft oder den Fach- und Hausarztverbänden - ihre Mitglieder aufgerufen, gegen die Gesundheitspolitik von Ministerin Ulla Schmidt zu protestieren.
»So eine große Resonanz hatten wir in Bielefeld noch nie, erstmals sind die Reihen so geschlossen. Das ist der Einstieg in völlig neue Töne«, sagt Reinhardt. Die Ärzte wollen ihren Missmut deutlich zum Ausdruck bringen, »wir sind die bornierte Art von Schmidt und Karl Lauterbach leid.« Ernstzunehmende Anstrengungen erkennt er bei der Ministerin nicht, auf ihre politische Zukunft setzt er keinen Heller: »Ich glaube nicht, dass sie diese Runde übersteht.«
Die Kritik der Ärzte entzündet sich an übermäßiger Bürokratie, daran, dass bisher durch die Gesundheitsreform primär die Patienten belastet seien und die Reform ihren Namen nicht verdiene. »Der große Wurf muss in den kommenden sechs Monaten gelingen - und dann auch mal zehn Jahre halten.« Reinhardt plädiert dafür, deutlich zwischen Regel- und Wahlleistungen zu unterscheiden, sich vielleicht am niederländischen Modell zu orientieren: »Dort gibt es eine Art Bürgerversicherung auf Basis einer Gesundheitsprämie pro Kopf. Alle Krankenversicherungen sind zudem privatisiert, wer mehr als die Regelversorgung will, muss das privat tragen - wobei die Versicherungen jeden akzeptieren müssen und keine Risikoselektion vornehmen dürfen.« Sinnvoll wäre zudem, wenn jeder Patient eine Rechnung bekäme und so erkennen könne, welche Kosten entstehen. Das sei, meint der Mediziner, eines mündigen Bürgers, der über das Ausmaß seines Versicherungsschutzes bestimme, würdig - und es könne der Steuerung dienen, weil es Anreize biete und vielleicht animiere, das eigene Verhalten zu ändern.
Allemal erwartet Reinhardt eine ideologiefreie Auseinandersetzung und praktikable Lösungen. Eine staatliche Bürgerversicherung wie in Großbritannien, kündigte er an, werde die deutsche Ärzteschaft auf keinen Fall mitmachen.

Artikel vom 05.01.2006