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Köstlichkeiten
zum Ehrentag

Pianist Alfred Brendel ist heute 75

Von Anna Tomforde
London (dpa). Alfred Brendel, einer der bedeutendsten Pianisten der Gegenwart, wartet zu seinem 75. Geburtstag, den er heute feiert, mit neuen Musik-Köstlichkeiten auf.

Aus Anlass des Ehrentages gibt die Plattenfirma eine von Brendel getroffene »persönliche Auswahl« aus seinen 55 Schaffensjahren heraus. Dazu zählen Liszt's »Totentanz« sowie Werke von Mozart, Schumann und Schubert. Liebhaber können Brendel außerdem erstmals mit der Aufnahme der drei letzten Klaviersonaten von Schubert auf DVD genießen.
Brendel, der seit 1971 in London lebt, verbringt zunehmend Zeit in seinem Landhaus in der Grafschaft Dorset. Er hatte sich im Sommer 2004 mit einer bewegenden Darbietung von Beethovens Klavierkonzert Nr. 5 in Es-Dur, Op. 73, von den jährlichen Promenaden-Konzerten der BBC in London verabschiedet. Dasselbe Stück hatte Brendel bei seinem »Proms-Debüt« im Jahr 1973 vorgetragen.
Der Abschied von den »Proms«, die Brendel als seine »große Liebe« bezeichnete, markierte zwar eine Reduzierung, aber keineswegs den Rückzug des Künstlers von Konzertauftritten oder Neuaufnahmen, wie die vier Doppel-CD's zum 75. Geburtstag beweisen.
Trotz allen Ehrungen gibt sich Brendel bescheiden. »Es war noch nie meine Art, mich selbst zu ernst zu nehmen«. Auch habe er nicht vor, eine Autobiografie zu schreiben. Für seine künstlerische Arbeit gelte das Motto, dass der Künstler in seiner Interpretation der Musik zu folgen und nicht zu bestimmen habe, »was der Komponist hätte komponieren sollen«. Der 1931 im nordmährischen Wiesenberg (heute Tschechien ) geborene Brendel zählt Deutsche, Österreicher, Italiener und Slawen zu seinen Vorfahren. Die Musik von Haydn, Mozart, Beethoven und Schubert gefiele ihm »von der Qualität her« am besten, sagte er einmal. Er habe immer versucht, für sein Repertoire »die beste Musik zu finden, die es gab.«
Heute zählt Brendel, nicht zuletzt wegen seiner meisterhaften Interpretationen der von ihm selbst genannten Lieblingskomponisten, zu den bedeutendsten zeitgenössischen Klaviervirtuosen. Ihm wird nachgesagt, ein »profunder Perfektionist« zu sein, dessen Repertoire scheinbar ganz mühelos das Humorvolle mit dem Ernsthaften verbindet.
Aber die Musik war - und ist - für Brendel nicht alles. Lachen, so sagt der Autodidakt mit den schelmisch blitzenden Augen, ist seine Lieblingsbeschäftigung. Er schreibt aber auch Bücher über die Musik sowie Gedichte. »Ich führe eine Art Doppelleben«. Wenn ihm der Stoff für sein »literarisches Leben« ausgehe, wende er sich dem Musikalischen zu. »Aber spielen werde ich, so lange ich physisch dazu in der Lage bin.«

Artikel vom 05.01.2006