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Es darf auch mal Milchreis sein

Er ist 35 Jahre alt, verheiratet und hat drei Kinder: Prof. Dr. Jens Stoye. Er sitzt auf dem Lehrstuhl Genominformatik an der Technischen Fakultät der Universität Bielefeld. Und er ist Sprecher des Instituts für Bioinformatik und Vorstandsmitglied des Centrums für Biotechnologie. Der junge Wissenschaftler stellte sich den Fragen von Laura-Lena Förster.
Warum haben Sie sich für die Arbeit an der Uni entschieden?Prof. Dr. Jens Stoye: Ich habe immer nach dem Motto gehandelt, dass ich das tun wollte, was mir am meisten Spaß macht, solange man mich lässt. Meistens hat das ganz gut geklappt, und nun bin ich hier.

Was machen Sie lieber: lehren oder forschen?Prof. Dr. Jens Stoye: Das eine geht natürlich gar nicht ohne das andere, jedenfalls wenn man die Diplomanden- und Doktorandenbetreuung auch als Teil der Lehre versteht. Denn bei vielen Forschern sind die Jahre der Diplom- und Doktorarbeit die kreativsten. Deshalb macht mir die Arbeit mit Leuten in diesem Stadium besonders viel Spaß, weil da viele gute Ideen für die Forschung zustandekommen. Aber auch die Grundausbildung in den ersten Jahren des Studiums halte ich für wichtig, weil dort die Grundlagen für eine fundierte wissenschaftliche Arbeit gelegt werden.

Mit welchem Verkehrsmittel kommen Sie zur Bielefelder Universität?Prof. Dr. Jens Stoye: Bis vor kurzem bin ich regelmäßig mit dem Fahrrad gekommen, aber als mir das im Herbst kaputt gegangen ist, bin ich auf die Stadtbahn umgestiegen. Seit Dezember besitze ich sogar ein Jobticket. Ich hoffe aber, dass ich im Frühjahr wieder mit dem Rad fahren werde.

Was ist Ihr Lieblingsgericht in der Mensa?Prof. Dr. Jens Stoye: Da die Qualität der Mensa relativ gleichbleibend ist, esse ich dort fast alles. Gerne auch mal mittwochs den Milchreis oder Grießpudding als Hauptgericht, obwohl das auf viele Auswärtige einen eher ungewöhnlichen Eindruck macht.

Was haben Sie vor zwei Jahrzehnten auf die Frage geantwortet: »Wo sehen Sie sich in 20 Jahren?« Prof. Dr. Jens Stoye: Vor 20 Jahren bin ich in die 10. Klasse gegangen. Da macht man sich in der Regel mehr Gedanken, was in den nächsten zwei Jahren passiert als in den nächsten 20. Das einzige, woran ich mich erinnern kann, ist, dass ich damals in meiner Freizeit ziemlich viel Musik gemacht habe, aber mir sicher war, kein Musiker zu werden.

Warum sollten junge Menschen studieren?Prof. Dr. Jens Stoye: Weil man dabei viel lernt, und ich meine nicht nur (aber auch) Fachliches.

Wenn Sie noch einmal Student wären, für welches Fach würden Sie sich entscheiden? Prof. Dr. Jens Stoye: Noch immer bin ich von dem Konzept der hier in Bielefeld gelehrten Naturwissenschaftlichen Informatik, die neben einem Informatikstudium eine breite naturwissenschaftliche Ausbildung bietet, überzeugt.

Welches Buch halten Sie im Studium für unverzichtbar? Prof. Dr. Jens Stoye: Als Fachbuch kann ich jedem Informatik-Studenten die »Algorithmen-Bibel« von Cormen, Leiserson, Rivest und Stein (Introduction to Algorithms) schon früh im Studium ans Herz legen. Noch wichtiger sind aber vielleicht Bücher, die sich mit dem Verfassen von Aufsätzen oder mit Vortragstechniken beschäftigen, da zumindest in den Naturwissenschaften diese »soft skills« häufig noch zu wenig thematisiert werden. Schließlich ein beliebiges Englisch-Lehrbuch für alle, die trotz Abitur in diesem Bereich noch Defizite haben.

Was gefällt Ihnen an der Universität Bielefeld besonders gut? Prof. Dr. Jens Stoye: Die nahezu unvermeidbare Interdisziplinarität. Dabei spielt die vielkommentierte Architektur der Universität eine große Rolle, insbesondere die kommunikative Halle, aber auch unsere Universitätsleitung, die meiner Erfahrung nach fachübergreifenden Aktivitäten sehr positiv gegenübersteht.

Wann haben Sie sich das letzte Mal in der Uni verlaufen?Prof. Dr. Jens Stoye: Das ist noch gar nicht so lange her, als ich kurz vor Weihnachten im Bauteil A/B die Uni in Richtung Oberstufenkolleg verlassen wollte, wo mir in Ebene 01 unerwartet die Mensa-Küche im Weg war.

Welche deutsche Universität verdient Ihrer Ansicht nach den Titel »Elite-Uni«? Prof. Dr. Jens Stoye: Sicherlich gibt es große Universitäten in Berlin oder München, die - unterstützt durch außeruniversitäre Forschungseinrichtungen - in vielen Bereichen hervorragende Leistungen in Wissenschaft und Ausbildung erbringen. Dennoch halte ich es für schlecht, durch pauschale Begriffe zu suggerieren, dass die Qualität einer Universität immer in allen Fächern gleich gut sein muss. Häufig sind es ja einzelne Fakultäten, oder gar Einzelpersonen, die herausragende Leistungen erbringen. Und so etwas ist auch an kleineren Universitäten möglich, die ingesamt aber nicht als »Elite-Uni« in Frage kommen.

Was erhoffen Sie sich für Ihren Fachbereich von Studiengebühren?Prof. Dr. Jens Stoye: Zunächst stellt sich für mich die Frage, ob mein Fachbereich möglicherweise durch das Nicht-Erheben von Gebühren Schaden nehmen könnte, beispielsweise durch nicht verkraftbar hohe Zunahmen von Neueinschreibungen. Solange so eine Gefahr aber nicht besteht, denke ich nicht, dass Gebühren die beste Reaktion auf die aktuelle Finanzknappheit an den Universitäten sind. Wenn allerdings eine gute Fee uns mit zusätzlichen Mitteln ausstatten sollte, würden mir schon einige Ideen kommen, was damit angefangen werden könnte. Dazu würde sicherlich die verstärkte Einbeziehung von Studierenden in die Arbeit der Arbeitsgruppen gehören, sowohl in der Forschung als auch in der Lehre.

Wann war Ihre letzte Studentenparty? Prof. Dr. Jens Stoye: Auf den großen Partys in Westend oder Mensa bin ich schon lange nicht mehr gewesen. Zu privaten Partys, auf denen (auch) Studierende anwesend sind, gehe ich aber gerne, zuletzt im vergangenen Sommer.

Inwieweit erfahren Sie seitens Ihrer Familie Unterstützung für Ihren Beruf? Prof. Dr. Jens Stoye: Meine Eltern haben mir die Ausbildung ermöglicht und mich ermutigt, eine Uni-Laufbahn zu beschreiten. Meine eigene Familie macht mir immer wieder deutlich, dass es auch ein Leben jenseits der Universität gibt. Ich bin ihr dankbar dafür, dass sie Rücksicht auf meine zeitintensive Arbeit nimmt und dafür, dass sie mir einen Ausgleich zur intellektuellen Arbeit bietet.

Artikel vom 10.01.2006