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Mann, jeder hat doch wohl die Mittel für ein gutes Omelett? Das kapier ich nicht. Ich kapierÕs nicht. Mit Besteck aus massivem Silber Scheiße fressen und einen elenden Rachenputzer in einer Kristallkaraffe servieren. Bin ich blöd, oder was? Irgendwas kapier ich da nicht. Wenn die nur einen einzigen ihrer elfundfuffzig Leuchter verkaufen würden, hätten sie genug, um ein Jahr lang anständig zu essen.«
»Sie sehen es wahrscheinlich nicht so. Die Vorstellung, einen einzigen Zahnstocher der Familie zu verkaufen, muß ihnen ebenso ungebührlich vorkommen wie dir die Vorstellung, deinen Gästen Dosengemüse aufzutischen.«
»Und nicht mal gutes, verflucht noch mal! Ich hab die leere Dose im Mülleimer gesehen. Es war ein No-name-Dingsda! Glaubst duÕs? Wohnen in einem solchen Schloß mit Wassergraben und Lüstern, mit Tausenden Hektar Land und allem Drum und Dran und dann Dosenfraß futtern! Das kapier ich nicht. Sich vom Wildhüter Monsieur le Marquis nennen lassen und einem armseliges Dosengemüse mit Mayo in der Tube servieren, ich sagÕs dir, ich faß es nicht.«
»Komm, beruhig dich. So schlimm ist es nun auch wieder nicht.«
»Doch, das ist schlimm, verdammt! Das ist schlimm! Wozu soll das gut sein, seinen Kindern ein Vermögen zu vererben, wenn du dich nicht mal freundlich mit ihnen unterhalten kannst! Nee, hast du gesehen, wie er mit unserem Philou gesprochen hat? Hast du seine Lippe gesehen, wie er die hochgezogen hat? ÝNoch immer im Postkartengewerbe, mein Sohn?Ü, sollte heißen, Ýdu Schwachkopf von Sohn?Ü Ich sag dir, ich hatte Lust, ihm eine zu ballern. Unser Philou ist ein Gott, das reinste menschliche Wesen, das ich in meinem Leben kennengelernt habe, und er hackt auf ihm rum, dieser Arsch.«
»Zum Teufel, Franck, hör auf so zu fluchen, verdammt«, sagte Paulette betrübt.
Maulkorb fürs Fußvolk.

»Pff. Außerdem schlaf ich in Timbuktu. Und das sag ich euch, ich geh morgen früh nicht mit zur Messe! Tz, wofür sollte ich Dank sagen? Philou und ich, wir zwei hätten uns besser in einem Waisenhaus kennengelernt.«
»Ah ja! Bei Miss Pony!«
»Was?«
»Nichts.«
»Gehst du zur Messe?«
»Ja, ich würde gern.«
»Und du, Omi?«
»...«
»Du bleibst bei mir. Wir werden diesem Pack mal zeigen, was gutes Essen ist. Wenn sie schon nicht die Mittel haben, werden wir sie anständig füttern!«
»Ich kann nicht mehr sehr viel ausrichten, weißt du.«
»Das Rezept von deiner Osterpastete, weißt du das noch auswendig?«
»Natürlich.«
»Na also, wir werdenÕs ihnen schon zeigen. An die Laternen, Aristokraten! Gut, ich geh schlafen, sonst lande ich noch im Verlies.«


Wie war die Überraschung groß, als Madaaame Marie-Laurence am nächsten Morgen um acht Uhr in die Küche kam. Franck war schon vom Markt zurück und dirigierte seine unsichtbare Dienerschaft.

Sie war verblüfft:
»Mein Gott, aber...«
»Alles in Ordnung, Madaaaame Marquise. Alles in bester Ordnung, in bester O-o-ordnung!« sang er und öffnete alle Schränke. »Sie brauchen sich um nichts zu kümmern, ich nehme das Mittagessen in die Hand.«
»Und... Und meine Hammelkeule?«
»Die habe ich in die Tiefkühle getan. Sagen Sie, Sie hätten nicht zufällig ein Brühsieb?«
»Pardon?«
»Ach nichts. Einen Durchschlag vielleicht?«
»Äh. Ja, hier im Schrank.«
»Oh! Wunderbar ist das!« sagte er hellauf begeistert, als er das Ding hochhob, dem ein Fuß fehlte. »Aus welcher Epoche ist der? Ausgehendes 12. Jahrhundert, würde ich schätzen?«

Ausgehungert und gutgelaunt kamen sie zurück, Jesus hatte sich zu ihnen gesellt, und sie begaben sich zu Tisch. Und leckten sich die Lippen. Hoppla, Franck und Camille standen rasch wieder auf. Sie hatten das Tischgebet vergessen.

Der Paterfamilias räusperte sich:
»Segne uns, Herr, segne dieses Mahl und jene, die es bereitet haben« (Augenzwinkern von Philou zum Küchenjungen), bla bla bla »und gib denen Brot, die keines haben.«
»Amen«, antwortete die Schar junger Mädchen kokett.
»Und da es sich nun einmal so verhält«, fügte er hinzu, »werden wir dieser herrlichen Mahlzeit die Ehre erweisen. Louis, holen Sie mir zwei Flaschen von Onkel Hubert, bitte.«
»Oh, Liebster, sind Sie sich ganz sicher?« fragte seine Liebste beunruhigt.
»Aber gewiß, aber gewiß. Und Sie, Blanche, hören auf, ihren Bruder zu frisieren, wir sind hier nicht in einem Friseursalon, soweit mir bekannt ist.«

Es gab Spargel mit einer Sauce hollandaise - zum Reinsetzen -, dann folgten die Osterpastete mit Prädikat von Paulette Lestafier sowie Lammbraten und Tomaten-Zucchini-Auflauf mit Thymian, Erdbeerkuchen und Walderdbeeren mit Schlagsahne.
»Und mit vollem Körpereinsatz geschlagen, bitte schön.«

Selten waren sie um diesen ausgezogenen Tisch so glücklich gewesen, und noch nie hatten sie so herzhaft gelacht. Nach ein paar Gläsern legte der Marquis seine Steifheit ab und erzählte abstruse Jagdgeschichten, bei denen er nicht immer eine gute Figur machte. Franck war viel in der Küche, und Philibert übernahm den Service. Sie waren perfekt.
»Sie sollten zusammenarbeiten«, flüsterte Paulette Camille zu, »der kleine Brodelnde am Herd und der große Höfliche im Saal, das wäre ein Vergnügen.«

Den Kaffee nahmen sie auf der Vordertreppe ein, und Blanche trug weitere Leckereien herbei, bevor sie sich wieder auf Philiberts Schoß setzte.

»Uff!« Endlich setzte Franck sich hin. Nach einer Schicht wie dieser würde er sich gerne eine drehen, aber hm... Lieber nahm er Camille ins Visier.
»Was ist das?« fragte sie ihn und zeigte auf den Korb, auf den sich alle stürzten.
»Liebesknochen«, kicherte er, »das mußte einfach sein, die konnt ich mir nicht verkneifen.«

Er stieg eine Stufe hinunter und lehnte sich an die Beine seiner Schönen.
Sie legte ihr Heft auf seinen Kopf.

»Fühlst du dich gut so?« fragte er sie.
»Sehr gut.«
»Tja, darüber solltest du mal nachdenken, mein Möpschen.«
»Worüber?«
»Darüber. Wie wir uns hier im Moment so befinden.«
»Ich kapier gar nichts. Soll ich dich kraulen?«
»Ja. Ja, kraul mich, dann kraul ich dich auch.«
»Franck«, seufzte sie.
»Das war doch nur symbolisch gemeint! Daß ich mich bei dir ausruhe und du an mir arbeiten kannst. So was in der Richtung, verstehst du?«
»Du bist schlimm.«
»Ja. Gut, ich werd schon mal die Messer wetzen, wo ich endlich die Zeit dazu habe. Ich bin sicher, ich finde hier alles, was ich brauche.«

Anschließend machten sie eine Grundstücksbegehung im Rollstuhl, und der Abschied erfolgte ohne überschwengliche Gefühlsäußerungen. Camille schenkte ihnen ihr Schloß als Aquarell, und Philibert gab sie Blanche im Profil.
»Du gibst immer alles weg. So wirst du nie reich.«
»Macht nichts.«

Am Ende der Pappelallee schlug er sich mit der Hand auf die Stirn:
»Caramba! Ich hab vergessen, ihnen Bescheid zu sagen.«
Keine Reaktion im Wageninneren.
»Caramba! Ich hab vergessen, ihnen Bescheid zu sagen«, wiederholte er lauter.
»Häh?«
»Was?«
»Ach nichts. Nur eine Kleinigkeit.«

Gut.
Erneutes Schweigen.


»Franck und Camille?«
»Ja, ja, wir wissen schon. Du willst dich bedanken, weil du deinen Vater seit der Episode mit der Vase von Soissons zum ersten Mal hast lachen sehen.«
»Kei... Keinesweges.«
»Was denn sonst?«
»Wä... wärt ihr bereit, meine Trau... meine Trau... meine Trau...«
»Was, deine Trau? Deine Trauben?«
»Nein. Meine Trau...«
»Deine Traumfrau?«
»N... nein, meine Trau... Trau...«
»Deine was? Verflucht noch mal!«
»Meine Trau... zeugenzuwerden?«

Abrupt blieb das Auto stehen, und Paulette hatte die Kopfstütze im Gesicht.


8. Kapitel
Mehr wollte er ihnen nicht verraten.
»Ich sage euch Bescheid, sobald ich Näheres weiß.«
»Häh? Aber, äh. Sag mal, ganz unter uns. Du hast doch wenigstens eine Freundin, oder?«
»Eine Froindin«, antwortete er indigniert, »niemals! Eine Froindin. Was für ein unschönes Wort. Eine Verlobte, werter Freund.«
»Aber eh. Sie weiß davon, oder?«
»Pardon?«
»Daß ihr verlobt seid?«
»Noch nicht«, gab er zu und sah zu Boden.
(wird fortgesetzt)

Artikel vom 11.01.2006