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Studenten
hoch zu Ross

Von Laura-Lena Förster
Welche Hochschulgruppe kann schon von sich behaupten, eine Deutsche Meisterin zu stellen? Eine Titelverteidigerin obendrein. Die Bielefelder Studentenreiter haben Sieglind Graff, 24 Jahre jung, mit Wohnort in Hiddenhausen. Mit ihr haben sie Erfolg - und Spaß. Eine Kombination, die die »normale« Turnierszene nicht immer kennt.

Oktober bis Juni ist die Zeit der Studentenreiter. Jedes Wochenende richtet mindestens eine Hochschule irgendwo in Deutschland einen Wettbewerb aus. Manchmal sind es sogar zwei Veranstalter gleichzeitig. »Wenn wir wollten, könnten wir in der Saison alle Samstage und Sonntage zu einem Turnier fahren«, sagt Heike Münch, Mannschaftskollegin von Sieglind Graff. Wollen und können sie aber nicht. Einerseits, weil die 20 Aktiven noch andere Verpflichtungen haben, andererseits, weil es zu teuer ist. Zwar übernimmt die Uni in der Regel das Startgeld für die Mannschaft, für den Rest muss aber jeder selbst aufkommen.
Die Entscheidung, wer an welchem Turnier teilnimmt, ist deshalb eine freiwillige. Beim Stammtisch - immer dienstags von 21 Uhr an in der Gaststätte Brinkmann - werden die Einladungen zu den Hochschulturnieren herumgegeben. Wer Interesse hat, meldet sich und hofft, dass er zwei Mitstreiter findet.
Eine Mannschaft besteht nämlich grundsätzlich aus drei Startern. Jeder muss im Springen und in der Dressur antreten. Und, eine weitere Besonderheit, er muss sich mit anderen Reitern ein Pferd teilen, ein fremdes zumal. Das eigene - sofern es das überhaupt gibt - bleibt Zuhause. »Nur das, was der Reiter und nicht das Pferd kann, soll in die Bewertung einfließen«, sagt Elena Wiegmann, die das Mannschaftstrio komplettiert. »Deshalb teilen sich pro Runde drei Teilnehmer ein zugelostes Leihpferd.«
Weiter geht es nach dem K.o.-System. Der Beste muss wiederum zwei Konkurrenten die Zügel »seines« Pferdes in die Hand geben, dieses Mal sind die Anforderungen aber höher. »Wir fangen in der Klasse A an und steigern uns dann von Runde zu Runde«, erklärt Sieglind Graff.
Kein Problem. Für ihre Mannschaftskolleginnen nicht. Für sie schon gar nicht. Mit ihrem ersten Pferd »Little Boy« startete sie bei der Deutschen Meisterschaft im Vielseitigkeitsreiten, mit »Festival Time«, genannt »Timmy«, gelangen Dressursiege bis zur Klasse M. 2004 starb dieser aber erst neunjährig an einer Salmonellenentzündung.
Sieglind Graff ritt weiter. Nicht mehr bei »normalen« Turnieren. Wohl aber mit ihrer Studententruppe. Und mit Erfolg. Nach einem zweiten Platz 2003 holte sie sich ein Jahr später bei den Deutschen Hochschulmeisterschaften in Münster den Titel. Die Verteidigung gelang erst vor wenigen Wochen in Wolfsburg. Ein weiteres Mal möchte sie nicht an den Start gehen. »Alle guten Dinge sind drei. Diesen Erfolg kann ich sowieso nicht toppen.«
Wer in ihre Fußstapfen treten möchte und noch nicht bei den Studentenreitern aktiv ist, sollte beim Stammtisch vorbei- oder auf die Homepage schauen. »Man muss kein eigenes Pferd besitzen, sollte aber schon reiten können«, sagt Elena Wiegmann. »Wir haben zwar gute Kontakte zu den Bielefelder Ställen und vermitteln dort Reitbeteiligungen. Um Anfänger auszubilden, fehlen uns aber die Schulpferde.« Dass einige Anlagen Studenten günstigere Anfängerstunden anbieten, hat Sieglind Graff durchaus schon gehört.
Neben Grundkenntnissen ist es vor allem die Freude an der Gemeinschaft, die zählt. »Wir reiten, tauschen uns über unser Studium aus, gehen ins Theater - und wir feiern«, sagt Heike Münch. Bei der Deutschen Meisterschaft kamen sie kaum auf mehr als zwei Stunden Schlaf pro Nacht.
www.studenten-reitgruppe-bielefeld.de

Artikel vom 10.01.2006