14.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Über Wehe und Wohl
an Istriens schöner Küste
Für Leute mit »hoher Schmerzgrenze« gibt's extrem billige Ferien in »Block C«
Ach, hätten wir doch die abweisend geschlossene Schranke vor dem Hotel »Parentium« als Wink des Schicksals gedeutet, dort nicht abzusteigen.
Während NVA-Camps und Trabbi-Safaris in der ehemaligen DDR hohen Spaßfaktor aufweisen und ein paar Stunden dauern, ist dieses sozialistische Grusel-Hotel offensichtlich typisch für pauschal gebuchten Badeurlaub an Istriens Küste. Da feiert der Kommunismus fröhliche Urständ'.
Das Bad finden wir schimmelig und mit zerschlissenen Handtüchern Marke Schmirgelpapier ausgestattet vor, nachdem uns die Rezeptionistin mit Genossen-Charme unsere Zimmer in »Block C« zugewiesen hat. Im Kopfkissen klafft ein riesiges Loch, der von Flecken übersäte Teppich scheint wochenlang nicht gesaugt worden zu sein, die Gardine fällt fast von der Stange, Putz blättert von den Wänden - und die Fenster starren vor Dreck. Offenbar in den Siebzigern gebaut und seitdem nicht renoviert, zwischenzeitich als Flüchtlingslager genutzt, sehnt sich die altersschwache Einrichtung nach Entsorgung auf dem Sperrmüll. Der um das Hotel gelegene gesamte Ferienkomplex Plava Laguna und Zelena Laguna gehört zum Scheusslichsten, was das Mittelmeer zu bieten hat.
Mit einigem Entsetzen entdecken wir aber auch, dass selbst die TUI hier Gäste unterbringt, was dem guten Image des Konzerns wahrlich nicht förderlich sein kann. Aber TUI-Sprecherin Susanne Stünckel kann zur »Verteidigung« ein gewichtiges Argument anbringen: »Wir haben Stammkunden, die dort immer wieder buchen, weil das Hotel extrem billig ist, aber über eine gute Lage verfügt. Und diese Leute beschweren sich auch nicht über solche Mängel.« Offenbar auch nicht über das Restaurant mit dem Charme einer Kantine. Fast möchte man postwendend wieder die Flucht ergreifen, um das mürrisch-muffelige Personal nicht weiter zu stören. Aber die Schranke ist ja geschlossen - Widerstand zwecklos... Und so würgt man das gruselige Gepansche aus der Küche herunter und hofft, dass der schlechte Wein bald seine Wirkung tut und die traurige Realität mit dem Schleier eines Rausches verklärt.
Stattdessen trübt kurz darauf ein heftiger Durchfall die Ferienfreude. Dass an der Küste von Istrien solche Hotels noch nicht geschlossen wurden, lässt den Kroatien-Urlaub zum Roulette werden.
Besser ist es also, man bucht keine Pauschalreise nach Kroatien, sondern quartiert sich individuell ein - zum Beispiel bei Marino Markezic in Kremenje, wo man zudem im Restaurant die hohe Schule kroatischer Kochkunst kennenlernt. Filet, Käse, Rührei, ja sogar das heiße Schokoladenküchlein werden dort getrüffelt. Markezic ist 1999 ins Guinness-Buch der Weltrekorde aufgenommen worden, als er einen Trüffelpilz von 1,31 Kilogramm fand. Die Konoba Astarea in Brtonigla ist für Freunde exzellenter Meeresfrüchte empfehlenswert.
Die raren Hoteljuwelen findet man nur im Binnenland, und sie verfügen oft über weniger als zehn Zimmer. An der Küste sieht der Masterplan für den Tourismus indes nur vor, die Komplexe der sozialistischen Ära zu renovieren. Für den dringend notwendigen Abriss und Neubau fehlt das Geld.
Wer mit dem Auto anreist und mobil sein möchte, kann sich auch in den hübschen Seebädern Opatija oder Lovran einquartieren und zwei Tagesausflüge nach Istrien unternehmen, was völlig ausreicht. Der erste Tag sollte mit einem Kurzbesuch in Pula beginnen, einer eher hässlichen, Stadt, die aber über das sechsgrößte antike Amphitheater der Welt verfügt - einen vergleichsweise hervorragend erhaltenen Koloss mit zwei Rundbögen-Etagen und einer weiteren mit rechteckigen Mauerdurchbrüchen.
Den Rest der Stadt, auch wenn es dort noch ein paar römische Hinterlassenschaften gibt, kann man sich aber getrost schenken - man trifft dort viele missmutig dreinblickende Menschen und zuweilen auch Kinder, die Häuserkampf spielen (»Sprechen Sie deutsch? Dann Hände hoch! Okay, Sie können passieren«).
Umso mehr lohnt die Weiterfahrt ins hübsche Rovinj, wo man spürt, warum sich die Istrier lange Zeit nicht als Kroaten fühlten, sondern einen italienischen Lebensstil führen. Rovinj ist eine vergleichsweise reiche Stadt, und so sind die Häuser der Altstadt zum Großteil gut in Schuss. Es gibt hübsche Geschäfte, schicke Boutiquen und charmante Galerien.
Auf dem Markt wird ein ungemein leckerer geräucherter Ziegenkäse verkauft, dazu nehmen wir uns in Honig eingelegte Mandeln mit, steigen zur Kirche hinauf (Vorsicht, bei Regen ist das grobe historische Straßenpflaster nahezu spiegelglatt und unfallträchtig).
Den zweiten Tag sollte man dem Landesinneren Istriens widmen. Das Weingut Kabola bei Momjan ist eine der wenigen Adressen, wo Freunde eines guten Tropfens fündig werden können. In den Küstenhotels hingegen verzichtet man besser auf die elende Billig-Plempe. Kroatien hat exzellente Weine, aber diese sind so rar, dass sie nicht exportiert werden, sondern von den Genießern im Lande getrunken werden.
Thomas Albertsen

Artikel vom 14.01.2006