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Alte Adler greifen an

Routiniers dominieren die Vierschanzentournee

Innsbruck (dpa). Erfahrung ist Trumpf: Bei der Vierschanzentournee dominieren die Routiniers das Geschehen und bestätigen den Trend in dieser Saison.

Von den zehn besten Skispringern zur Halbzeit ist lediglich der Österreicher Andreas Kofler jünger als 24 Jahre, in der Weltcup-Gesamtwertung trifft dies neben Kofler nur noch auf dessen Landsmann Thomas Morgenstern (19) zu. Den Takt im Olympia-Winter bestimmen Janne Ahonen (28) und Jakub Janda (27), die sich ein heißes Duell um den Tourneesieg liefern. »Die neuen Regeln kommen Springern entgegen, die mehr Kraft haben. Und ältere Athleten sind meistens physisch stärker«, erklärte Ahonen das Phänomen.
Weil die Flugfläche durch die immer enger geschnittenen Anzüge zunehmend geringer wird, sind die Leichtgewichte im Sprung-Zirkus out. Dafür hat auch der vor einem Jahr eingeführte Body-Mass-Index gesorgt. Jetzt sind athletische Typen mit kräftigem Absprung gefragt. Für Bundestrainer Peter Rohwein kommt die Entwicklung daher nicht überraschend. »In den vergangenen Jahren gab es durch die Regeländerungen einen ständigen Wechsel des Materials. Darauf muss man sich einstellen, und damit sind die jungen Springer etwas überfordert. Die älteren haben solche Situationen viel öfter durchgemacht und tun sich damit leichter«, analysierte Rohwein.
Kein Wunder, dass auch die Talente im deutschen Team nur hinterherfliegen. Sie stagnieren in ihrer Entwicklung und können den »Alten« nicht das Wasser reichen. Der zweiten DSV-Garde prophezeit der Bundestrainer daher eine schwere Zeit. »Maximilian Mechler oder Stephan Hocke müssen sich verdammt lang machen, um da vorne rein zu springen«, äußerte er sich skeptisch.
»Die Jüngeren haben Probleme, den Anschluss zu halten. Das ist sehr interessant für mich. Es macht einem wieder bewusst, dass man beim Skispringen über eine gewisse Routine verfügen muss«, stellte der frühere Weltklassespringer Dieter Thoma, der die Tournee 1989/90 im Alter von 20 Jahren gewonnen hatte fest. Michael Uhrmann (27) ist bei seiner zwölften Tournee-Teilnahme die unumstrittene Nummer eins in der DSV-Mannschaft, der drei Jahre jüngere Georg Späth ist auch schon das siebte Mal bei der Traditionsveranstaltung dabei.
Mechler, der vor zwei Jahren als großes Talent gefeiert wurde, kämpft dagegen seit einem Sturz im Sommer bislang vergeblich um den Anschluss und rutschte nur durch den verletzungsbedingten Ausfall von Jörg Ritzerfeld bei der Tournee wieder in den A-Kader. Hocke, der 2002 in Salt Lake City als 18-Jähriger bereits Olympia-Gold mit dem Team gewann, ist völlig abgestürzt und spielt in den derzeitigen Planungen von Rohwein überhaupt keine Rolle. »Ihre Aussichten sind momentan eher gering«, schätzte Rohwein die Lage ein.

Artikel vom 04.01.2006