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Vom Hörsaal aufs Tanzparkett

Von Cora Schäfer
Kaum ist der Student aus den Ferien zurück, fängt auch schon der Stress in der Uni wieder an: Referate, das Lernen für Klausuren, eine Unmenge an Lesestoff liegt auf dem Schreibtisch. Sport hat den meisten da gerade noch gefehlt. Noch ein Zeitkiller! Andererseits: Warum nicht mal etwas für den Körper tun und dem Weihnachtsspeck den Kampf ansagen? Das Sportprogramm an der Bielefelder Uni wächst ständig - und für jeden ist etwas dabei. Ein noch sehr neues Angebot ist der Ballett-Kursus.

Seit zwei Semestern können Anfänger und Fortgeschrittene sich an verschiedenen Kombinationen und Übungen versuchen. Ballett ist die Grundlage vieler moderner Tänze und fördert sowohl die Koordination, als auch das Gleichgewicht und die gesamte Körperhaltung. »Man wird einfach offener und kann besser auf Menschen zugehen«, fasst die examinierte Ballett-Lehrerin Thuy Diem Linh Do ihre Erfahrungen zusammen.
Seit Anfang des Sommersemesters 2004 bietet sie allen die Möglichkeit, die Grundlagen dieses Tanzes zu lernen. Mancher mag glauben, von einem bestimmten Alter an sei es zu spät, mit Ballett anzufangen. Aber der Kursus an der Uni Bielefeld beweist das Gegenteil. »Hier sind auch Anfänger herzlich willkommen«, betont Thuy Diem Linh Do.
Klar, dass man nicht sofort einen Spagat hinlegen oder in vollendeter Anmut auf den Zehenspitzen pirouettieren kann. Mit einfachen Übungen, vor allem zur Balance, gehtĂ•s los. Später werden dann schwierigere Kombinationen, Pirouetten und Sprünge geübt. Natürlich darf auch der Muskelaufbau nicht fehlen. Denn obwohl es einfach aussieht, steckt sehr viel Kraft hinter den einzelnen Tanzfiguren. Besonders Bauch, Beine, Po und Rücken werden trainiert.
»Ich unterrichte gerne, auch um es selbst nicht zu verlernen«, erzählt die engagierte Tanzlehrerin. »Außerdem ist es wirklich schön zu sehen, wie die Übungen angenommen und von der Gruppe umgesetzt werden.«
Vom Können her ist der Kursus bunt gemischt. Absolute Anfänger versuchen sich neben schon fast professionell ausgebildeten Tänzerinnen. Dabei können beide Seiten in Partnerarbeit voneinander lernen. Die Fortgeschrittenen können den Anfängern zeigen, wie die Bewegungsabläufe richtig ausgeführt werden und reflektieren dabei selbst noch einmal die Übungen.
Christina Kohl gehört zu den Fortgeschrittenen. Sie nutzt das Angebot zur Auffrischung ihres Könnens. »Ich habe schon früher Ballett getanzt«, berichtet die 24-jährige Studentin. »Der Kursus an der Universität bietet eine super Möglichkeit, das Wissen von früher aufzufrischen. Außerdem hat man nur selten die Möglichkeit, einen kostenlosen Ballettkursus zu besuchen.«
Bei den Anfängern ist ein wenig Humor allerdings schon von Nöten. Klar, dass man bei den ersten tänzerischen Gehversuchen normalerweise nicht gleich aussieht wie eine Primaballerina. Wer nicht auch mal über sich selbst schmunzeln kann, für den wird es nicht so leicht.
Was allerdings schon manchmal Probleme macht, ist die relativ hohe Teilnehmerzahl. »Es ist oft schwierig, auf jeden einzeln einzugehen«, erzählt Thuy Diem Linh Do. »Aber eine Teilnehmerbegrenzung kommt nicht in Frage.« Jeder Interessierte kann mitmachen. Dabei sind besonders die Männer gefragt.
Zurzeit nimmt nur ein einziger Vertreter des »starken Geschlechts« an dem Kursus teil: Cord Wiljes. Er nutzt das Angebot seit Beginn des Wintersemesters. »Ich war einfach neugierig«, erzählt der Ballett-Anfänger. Doch gerade die Männer müssen oft mit Vorurteilen kämpfen. Fragte ihn doch sein fünfjähriges Patenkind schon, ob er beim Tanzen auch ein rosa Röckchen anziehen würde.
»Als der Ballettkursus zum ersten Mal angeboten wurde, habe ich mich noch nicht getraut«, berichtet Cord Wiljes. »Aber jetzt bin ich überrascht, wie viel Spaß es macht, und ich finde es schade, dass so wenige Männer diesen Tanz ausprobieren.« Also: einfach die Vorurteile vergessen, tanzen und jede Menge Spaß haben!

Artikel vom 10.01.2006