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»Es lag nicht am Schnee allein«

Statiker vermutet Wartungsmängel - große Dachlast in Alpenregion


Bad Reichenhall (WB/dpa/Reuters). Eine Art »Bau-TÜV« für öffentlich genutzte Gebäude fordert der Akademische Direktor der Fakultät Bauingenieurwesen an der Ruhr-Universität Bochum. Ähnlich wie Fahrstühle und Brandschutzeinrichtungen müsste auch die Statik von Gebäuden regelmäßig kontrolliert werden, um rechtzeitig Schäden zu erkennen, sagt Reinhard Bergmann. Bislang gebe es keine Vorschrift, die nach der Inbetriebnahme eines Gebäudes eine solche regelmäßige Überprüfung verlange. »Für das Unglück in Bad Reichenhall gibt es aus meiner Sicht als Erklärung nur mangelnde Wartung«, sagte der Statik-Experte.
Grundsätzlich seien die Belastungsgrenzen für Bauten streng festgeschrieben. »In DIN 1055 enthalten ist auch ein Kapitel, das die Schneelasten festlegt«, erläutert Bergmann. Deutschland sei in verschiedene Schneelastzonen eingeteilt. Auch werde dabei die Geländehöhe berücksichtigt. Bad Reichenhall beispielsweise liege in Schneezone 3 der vierteiligen Skala. Bei einer Ortshöhe von etwa 500 Metern liege damit die Belastungsgrenze bei 125 Kilogramm pro Quadratmeter.
Sonderbauten, zu denen Sportstätten mit mehr als 400 Quadratmetern Hallensportfläche oder mehr als 100 Zuschauerplätzen zählten, müssten schon während der Planung grundsätzlich von einem Prüfingenieur begutachtet und bei Fertigstellung abgenommen werden. Damit sei jedoch die gesetzliche Pflicht erfüllt, eine weitere Kontrolle liege nur noch im Ermessen des Eigentümers.
Auch der Präsident der Bundesvereinigung der Prüfingenieure für Bautechnik (BVPI), Hans-Peter Andrä, hält es für »schwer vorstellbar«, dass allein die Schneelast Auslöser für das Unglück war. Die Dachstatik werde in den bayerischen Schneegebieten für große Lasten berechnet: »Man liegt in diesem Gebiet sicher in einer Größenordnung, dass man das Dach auch mit Pkw hätte vollstellen können«, sagte er. Andrä: »Ich kann mir im Moment nicht vorstellen, dass der Einsturz auf Berechnungsfehler oder einen unzureichenden Ansatz der Schneelasten zurückzuführen ist.« Die Staatsanwaltschaft Traunstein hat jetzt den TÜV Süddeutschland und einen Experten der Technischen Universität München mit Untersuchungen beauftragt.

Artikel vom 04.01.2006