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Bad Reichenhall trauert und
sucht nach den Ursachen

Vermutlich 15 Tote bei Eishalleneinsturz - Staatsanwalt ermittelt

Bad Reichenhall (dpa). Das Wunder von Bad Reichenhall ist ausgeblieben. 24 Stunden nach dem verheerenden Einsturz der Eissporthalle gab es gestern Abend kaum noch Hoffnung auf Überlebende. Im pausenlosen Einsatz hatten die Rettungskräfte bis dahin elf Tote geborgen. Für vier weitere mit Sicherheit in der Halle Verschüttete gab es bei Temperaturen um null Grad nur noch geringe Überlebenschancen.
Inmitten eines schier unüberschaubaren Trümmerberges suchten auch gestern Hunderte von Helfern nach den Verschütteten. Mit Hilfe von Kränen wie mit bloßen Händen arbeiteten sie sich vor. Foto: Reuters
Über drei weitere Vermisste gab es Unsicherheit, ob sie sich zum Unglückszeitpunkt überhaupt in dem Gebäude befanden. Die meisten Opfer sind Kinder und Jugendliche. Außerdem starb eine etwa 35 Jahre alte Mutter. Alle stammen aus den oberbayerischen Landkreisen Berchtesgadener Land und Traunstein. 34 Menschen wurden verletzt, 18 von ihnen mussten im Krankenhaus behandelt werden.
Die Ursache des Einsturzes war gestern weiter unklar. Allerdings gab es unter den Bürgern des bekannten oberbayerischen Ferienortes Bad Reichenhall immer wieder Spekulationen um Versäumnisse der Hallenbetreiber und der Stadtverwaltung. Die Staatsanwaltschaft Traunstein ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.
Nach Aussage von Meteorologen war in den Stunden vor dem Unglück ungewöhnlich nasser und schwerer Schnee gefallen, der auf dem Dach eine tonnenschwere Last bildete. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) vermied beim Besuch des Unglücksortes Schuldzuweisungen: »Jetzt ist nicht die Frage, wer Verantwortung trägt.« Das werde »morgen oder übermorgen« Thema sein. Dies sei der Tag der Trauer.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte in Berlin: »Das grausame Schicksal, das insbesondere Kinder und junge Menschen erlitten haben, die einen unbeschwerten Ferientag verleben wollten, bewegt mich und bewegt uns alle in ganz besonderer Weise.«
Der Direktor der Fakultät Bauingenieurwesen der Ruhr-Universität Bochum, Reinhard Bergmann, urteilte unterdessen: »Für das Unglück gibt es aus meiner Sicht als Erklärung nur mangelnde Wartung.« In Salzburg und bei München stürzten allerdings weitere Hallendächer unter der Schneelast ein. Menschen kamen dabei nicht zu Schaden.
Mit schwerem Räumgerät und Kränen, aber auch bloßen Händen versuchten mehrere Hundert Rettungskräfte auch gestern in Reichenhall weiter, an die Verschütteten heranzukommen. Dabei setzten sie auch ihr eigenes Leben aufs Spiel, weil jederzeit Teile der Dachkonstruktion weiter einstürzen konnten. Eine Außenwand drohte unter dem Druck der Trümmer zu kippen. Die Bergungsarbeiten mussten deshalb mehrmals unterbrochen werden.
Zu den Ermittlungen sagte der leitende Oberstaatsanwalt Helmut Vordermeier, Sachverständige der verschiedenen Fachrichtungen seien beauftragt, Gutachten zu erstellen. Es sei nicht mit einem raschen Ergebnis zu rechnen. »Wir stehen mit unserer Arbeit am Anfang.« Seite 4: LeitartikelSonderseite

Artikel vom 04.01.2006