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EU-Druck beendet Gasstreit

Russland und Ukraine beschließen Abkommen über fünf Jahre

Moskau/Brüssel (dpa). Auf massiven Druck des Westens haben Russland und die Ukraine ihren Gasstreit überraschend schnell beigelegt. Vertreter beider Seiten einigten sich in der Nacht zum Mittwoch auf einen Kompromiss mit deutlich erhöhten Bezugspreisen.

Die Ukraine erhalte russisches sowie zentralasiatisches Gas zu einem Gesamtpreis von 95 Dollar (80 Euro) je 1000 Kubikmeter, teilte der staatliche Energieversorger Naftogas Ukrainy nach Abschluss der Verhandlungen in Moskau mit. Die Bundesregierung und die EU-Kommission begrüßten die Einigung.
Der Vorstandsvorsitzende von Gasprom, Alexej Miller, betonte, mit dem Abkommen sei auch die Versorgungssicherheit für die Kunden in West- und Mitteleuropa wieder hergestellt. Sein Unternehmen erhalte für das eingespeiste Gas die seit Wochen von Kiew geforderte Summe von 230 Dollar pro 1000 Kubikmeter.
In Kiew lobte Präsident Viktor Juschtschenko den ausgehandelten Kompromiss. »Die ukrainische Wirtschaft ist vollständig auf die neuen Bedingungen des Marktes vorbereitet.« Bislang hatte Russland der Ukraine einen Preis von 50 Dollar je 1000 Kubikmeter in Rechnung gestellt.
Der Gasstreit der vergangenen Wochen war zu Neujahr eskaliert, als Gasprom die Lieferungen für die Ukraine einstellte. Als daraufhin auch bei zahlreichen Abnehmerländern in Mittel- und Westeuropa die Liefermengen sanken, beschuldigte Moskau die Ukraine, Gas aus den Transitleitungen zu stehlen. Die Ukraine bestritt dies.
Das neue, für fünf Jahre gültige Abkommen sieht vor, dass die Ukraine künftig über einen Zwischenhändler nach widersprüchlichen Angaben zwischen 51 und 62 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland und vor allem aus Turkmenien zur Eigenversorgung erhält. Die Kalkulation von 95 Dollar über den Zwischenhändler Rosukrenergo, der zum Teil Gasprom gehört, löste in Moskau angesichts des russischen Preises von 230 Dollar Unverständnis aus. »Es ist unklar, aus welcher Quelle der Preisunterschied beglichen wird«, betonte die Führung des Gasprom-Minderheitsaktionärs Wostok Nafta.
Die Ukraine und Russland einigten sich zudem darauf, dass Kiew 60 Prozent mehr an Gebühren für die Durchleitung des russischen Gases in Richtung Westen erhält. In Zukunft sollen alle Rechnungen in den Energiegeschäften beider Länder mit Geld bezahlt werden. Bisher waren Warentauschgeschäfte üblich.
Die Europäische Union will ihre Energiepolitik überdenken und gegebenenfalls neu ausrichten. Das bekräftigten Kommission und Ratsvorsitz gestern in Brüssel. Beim Gas und allen anderen Energieträgern müsse die Versorgungssicherheit künftig eine größere Rolle spielen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) begrüßt die Einigung im Gasstreit. »Beide Seiten haben damit rasch auf die Aufforderung sowohl der Bundesregierung als auch der Europäischen Union reagiert, den Konflikt schnellstmöglich beizulegen«, sagte Merkel. Die rasche Einigung zeige, dass sich beide Seiten ihrer gemeinsamen Verantwortung für eine sichere und zuverlässige Versorgung Europas mit Gas bewusst seien.
S. 4: Hintergrund/Kommentar

Artikel vom 05.01.2006