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Arzneimittelausgaben steigen

Die Krankenkassen mussten 2005 drei Milliarden Euro mehr bezahlen

Berlin (dpa). Trotz aller Spar-Appelle im Gesundheitswesen sind die Ausgaben für Arzneimittel im vergangenen Jahr deutlich gestiegen.
Mit voraussichtlich 23 Milliarden Euro gaben die gesetzlichen Krankenkassen knapp drei Milliarden mehr dafür aus als 2004, teilte die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) gestern in Berlin mit. Diese Summe liegt laut ABDA deutlich unter dem von den Krankenkassen prognostizierten Ausgabenanstieg auf 25 Milliarden Euro.
Bundesregierung und Vertreter von Kassen und Sozialverbänden kritisierten den Kostenanstieg.
Im November 2005 lagen die Kosten mit 2,1 Milliarden Euro um 13,7 Prozent über November 2004. Im Oktober hatte der Kostenanstieg mit 12,9 Prozent etwas darunter gelegen, im ersten Halbjahr mit einem Plus von etwa 20 Prozent noch deutlich darüber. Rechnet man die ersten elf Monate aufs ganze Jahr hoch, ergeben sich nach ABDA-Angaben Ausgaben von etwa 23 Milliarden Euro.
Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums sagte, die Ausgaben seien weiter »exorbitant zu hoch«. Zugleich begrüßte die Regierung den Rückgang des Anstiegs.
Mit einem Sparpaket für den Arzneimittel-Bereich will die große Koalition die Kassen 2006 um eine Milliarde und danach jährlich um um einen Betrag von 1,3 Milliarden Euro entlasten.
Für die Ausgabensteigerung gibt es strukturelle Gründe. So hält unter anderem der Trend zur Verschreibung neuer teurer Medikamente ohne erkennbaren Zusatznutzen nach Angaben der Kassen an. Dem Ausgabenanstieg stehen Kassen-Statistiken zufolge deutliche Rückgänge bei der Zahl der Verordnungen gegenüber.
Der Präsident des Sozialverbands Deutschland, Adolf Bauer, forderte von der großen Koalition einen wirksamen Mechanismus gegen Scheininnovationen.
»Scheininnovationen sind der Hauptkostentreiber bei den Arzneimittelausgaben«, kritisierte Bauer. »Die Pharmaindustrie bringt kurz vor Ablaufen eines patentgeschützten Medikamentes ein leicht verändertes Präparat auf den Markt, für das dann erneut Patentschutz beantragt wird.«
Die Betriebskrankenkassen kritisierten den Apothekerverband heftig, der die Zahlen als eine »Stabilisierung« der Kosten wertete. »Solche Steigerungen sind nicht hinnehmbar«, sagte ein BKK-Sprecher.
Im Jahr 2003 hatten die Kassen 22,8 Milliarden Euro für Arzneimittel ausgegeben. 2004, im Startjahr der Gesundheitsreform, die höhere Zuzahlungen der Patienten und Leistungsausgrenzungen brachte, gingen dann die Ausgaben auf 20,3 Milliarden Euro zurück. Ein Grund für den neuerlichen Anstieg ist auch, dass ein Extrarabatt der Pharmaindustrie für die Krankenkassen mehr als halbiert wurde.
Eine Regelung im neuen Regierungs-Sparpaket sieht vor, dass Ärzte-Honorare bei unwirtschaftlicher Verordnung von Medikamenten gemindert werden sollen. Wirtschaftliche Verschreibungspraxis soll dagegen belohnt werden. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung hatte dagegen Widerstand angekündigt.

Artikel vom 05.01.2006