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Nach Westeuropa strömt
weniger Erdgas aus Russland

Nach Stopp der Lieferung an die Ukraine - Gasprom reagiert auf Klagen

Moskau (dpa). Der Stopp der russischen Gaslieferungen an die Ukraine wirkt sich auch auf Deutschland und andere europäische Länder aus. Der Essener Gas-Importeur E.ON Ruhrgas stellte erste Liefereinschränkungen fest. »Wir bekommen eindeutig weniger als vertraglich vorgesehen, aber wir können das noch nicht genau beziffern«, sagte Ruhrgas-Sprecherin Tatjana Dreyer gestern.Alexander Medwedew: »Heute wieder volle Versorgungssicherheit.«

Österreich, Ungarn, Rumänien, Polen und Frankreich meldeten Einbußen bis zu einem Drittel der vertraglich vereinbarten Gasmenge.
Der vom Kreml kontrollierte Konzern Gasprom verlangt von der Ukraine seit dem 1. Januar 2006 einen fast fünf Mal höheren Gaspreis. Weil Kiew sich einem entsprechenden Vertragsabschluss verweigerte, drehte Gasprom den Ukrainern am Neujahrsmorgen das Gas ab.
Der russische Energieversorger reagierte noch gestern auf die Klagen über Lieferverluste mit einer Steigerung des Gasexports in Richtung Westen. Es seien weitere 95 Millionen Kubikmeter in die ukrainischen Pipelines gepumpt worden, teilte der Gasprom-Sprecher Sergej Kuprijanow mit. Die Menge solle jenes Gas ersetzen, dass die Ukraine nach Gaspom- Sicht illegal entwendet habe. Vize-Konzernchef Alexander Medwedew sicherte seinen Kunden in West- und Mitteleuropa von heute Abend an die volle Versorgungssicherheit zu.
Gasprom warf der Führung in Kiew den Diebstahl von 100 Millionen Kubikmeter Gas vor. Das Gas sei allein für die Kunden in West- und Mitteleuropa bestimmt gewesen. Die ukrainische Regierung wies die Anschuldigung zurück und betonte, man komme derzeit mit eigenen Reserven und Gas aus Turkmenien aus.
Die US-Regierung bedauerte die Einstellung der Erdgaslieferungen an die Ukraine. Der »plötzliche Schritt schafft Unsicherheit im Energiesektor der Region«, sagte ein Außenamtssprecher in Washington. Es stelle sich zudem die Frage, ob mit Hilfe der Energieversorgung missbräuchlich politischer Druck ausgeübt werden soll.
Bundeswirtschaftsminister Michael Glos (CSU) stellte angesichts des Gasstreits eine Steigerung des Anteils russischen Gases am deutschen Energiemix in Frage. Deutschland bezieht nach Angaben des Wirtschaftsministeriums 36 Prozent seiner Gasimporte aus Russland. »Das sollte eigentlich gesteigert werden. Es kann aber nur gesteigert werden, wenn wir wissen, dass die Lieferungen aus dem Osten zuverlässig sind«, sagte Glos. Die Bundesregierung sieht die Gasversorgung in Deutschland aber gesichert. Sie forderte Russland und die Ukraine auf, ihren Streit beizulegen.
Auch das Pariser Außenministerium appellierte an Russland und die Ukraine, die Gasgespräche »so rasch wie möglich« mit dem Ziel einer für alle Seiten akzeptablen Lösung wieder aufzunehmen. Seit der Nacht zum Montag kommt 25 bis 30 Prozent weniger Gas aus Russland in Frankreich an als vertraglich vereinbart.
Die EU ist zur Vermittlung im Erdgasstreit bereit. Russland und die Ukraine hätten der EU »versichert, das ihnen Mögliche zu tun, damit es nicht zu einer Unterbrechung der Gaslieferungen an EU-Staaten kommt«, sagte eine EU-Diplomatin.
Österreich meldete einen Rückgang der über die Ukraine kommenden Gasmenge um etwa ein Drittel. Engpässe bei Großkunden seien nicht völlig auszuschließen, falls die Liefermenge weiter verringert und der Winter kalt werde, teilte der größte österreichische Energiekonzern OMV mit. In Ungarn stellten mehrere Elektrizitätswerke nach dem Rückgang der Lieferungen von russischem Erdgas um 25 Prozent auf Heizöl um.

Artikel vom 03.01.2006