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Schwarzarbeit im Fleischwerk

Staatsanwaltschaften ermitteln in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen

Von Ernst-Wilhelm Pape
und unseren Nachrichtenagenturen
Oldenburg/Düsseldorf (WB). Der bereits ins Visier der Justiz geratene Arbeitskräftevermittler Ingolf R. (52) aus dem niedersächsischen Visbek (Kreis Vechta) soll erneut etwa 50 rumänische Leiharbeiter illegal eingesetzt haben.

Ingolf R. und zwei Mitbeschuldigten, die kurz vor Weihnachten einige Tage in Untersuchungshaft saßen, werde außerdem vorgeworfen, die Sozialversicherung um 500 000 Euro betrogen zu haben, sagte gestern ein Justizsprecher dieser Zeitung. Die Rumänen waren unter anderem in einem Oldenburger Fleischbetrieb beschäftigt. Gegen den Visbeker wird seit Sommer 2005 auch wegen 133 gefälschter Gesundheitszeugnisse und 48 gefälschter Staatsbürgerschaftsurkunden ermittelt. Polnische Arbeiter waren durch diese Urkundenfälschung zu deutschen Arbeitern geworden. Gegen Janos B., einem Mitarbeiter von Ingolf R., ist in diesem Fall bereits Anklage wegen gewerbsmäßiger Urkundenfälschung und schwerer Brandstiftung erhoben worden. So sollen illegal in Deutschland beschäftigte Polen auch ein Haus angezündet haben.
Nach Angaben der Staatsanwaltschaft betreffen die Ermittlungen im neuen Fall den Zeitraum Juli 2002 bis März 2004. Der betroffene Oldenburger Betrieb, ein dänisches Unternehmen, habe das Verfahren selbst in Gang gebracht. Er habe sich im Frühjahr vor zwei Jahren an die Behörden gewandt. Alle drei Beschuldigten hätten eingeräumt, bei dem Einsatz der Rumänen Fehler gemacht zu haben. Der Visbeker Vermittler habe sich bereits mit dem Sozialversicherungsträger auf eine Wiedergutmachung des Schadens geeinigt.
Der Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG), Matthias Brümmer, warf der Oldenburger Firma weitere illegale Beschäftigung vor. Die NGG sei überzeugt, dass dort auch jetzt noch mit unlauteren Methoden gearbeitet werde. Dem Konzern gehe es nur um Billigproduktion durch Ausbeutung von Billigarbeitern.
Nach Informationen dieser Zeitung soll Ingolf R. mehr als 1000 Arbeiter an Fleischbetriebe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen vermittelt haben. Es handelt sich in erster Linie um polnische und deutsche Arbeiter. Ingolf R. zählt ebenso wie Axel H. (42) aus Dormagen zu den größten Schlachtarbeitervermittlern in Deutschland. Gegen Axel H. hat die Staatsanwaltschaft Düsseldorf ein Strafverfahren eingeleitet. Das hat, wie berichtet, Staatsanwalt Peter Lichtenberg bestätigt. Dem Beschuldigten werden unter anderem illegale Arbeitnehmerüberlassung, Millionenbetrug und Steuerhinterziehung vorgeworfen.
Axel H. ist einer der wichtigsten Arbeitskräfte-Beschaffer der Firma Westfleisch (Münster), dem drittgrößten deutschen Fleischverarbeiter. Er soll Arbeiter aus Rumänen, Polen und Ungarn sowie anderen osteuropäischen Ländern vermitteln. Auch in einem Verfahren der Bielefelder Staatsanwaltschaft gegen einen türkischen Arbeitervermittler hatten sich Hinweise auf kriminelle Machenschaften von Axel H. ergeben. Unter anderem sollen Werkverträge und Arbeitszeiten nicht eingehalten und die Arbeiter mit Schwarzgeld bezahlt worden sein.
Der 42-Jährige soll derzeit mindestes 1200 ausländische Arbeitnehmer an die Firma Westfleisch sowie fünf weitere Schlachthöfe und Zerlegebetriebe in NRW, Niedersachsen, Schleswig-Holstein und Bayern vermittelt haben. Allein 700 Osteuropäer sollen in den Westfleisch-Schlachthöfen Hamm, Lübbecke und Coesfeld in der Schlachtung und Zerlegung arbeiten.

Artikel vom 03.01.2006