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Österreichs EU-Vorsitz

Mehr als ein »Kriserl«


Ein Zauberkünstler ist Österreichs Bundeskanzler Wolfgang Schüssel nicht. Doch ihm ist es abzunehmen, dass er den sechsmonatigen EU-Vorsitz als »Dienst an Europa« anlegen will, wie er gestern noch einmal versichert hat. Nach dem verlorenen halben Jahr unter britischem Vorsitz ist es auch bitter nötig, dass die europäische Idee wieder in den Vordergrund gestellt wird.
Zwar befindet sich die Europäische Union noch nicht im Zustand der Agonie, wie mancher behauptet. Doch Europa steckt mehr als nur in einem »Kriserl«, wie Schüssel wienerisch charmant weismachen will. Dies müsste er aus dem eigenen Land besser wissen, denn nirgendwo ist die Zahl der Europaskeptiker und -gegner größer als in der benachbarten Alpenrepublik.
Österreich ist ein kleines Land, niemand erwartet, dass unter seiner EU-Regentschaft die dringendsten Probleme sämtlich gelöst werden. Einen Durchbruch bei Themen wie Dienstleistungsrichtlinie oder Verfassung wird es nicht geben. Doch wenn es Schüssel gelingt, die Diskussion über Sinn und Zweck der EU wieder neu zu entfachen, wenn er es schafft, Europa den Bürgern und Bürgerinnen wieder näher zu bringen, kann die Lähmung Europas überwunden werden.
Keine leichte Aufgabe, vor allem innenpolitisch nicht, denn im Herbst wird in Österreich gewählt. Und mit Europa ist dort beim Wähler bekanntlich zur Zeit wenig Staat zu machen. Dirk Schröder

Artikel vom 03.01.2006