02.01.2006 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Jung und Alt zeigen
neue Lust am Singen

Chöre mit starken Zulauf - Kinder wollen Leistung

Braunschweig (dpa). Ob jung oder alt - immer mehr Menschen entdecken ihre Lust am Singen. »Wir haben das schönste Problem der Welt: zu viele Kinder, die singen wollen«, sagt Braunschweigs Domkantor Gerd-Peter Münden.

Die Domsingschule sei in den vergangenen Jahren zur größten Einrichtung für evangelische Kirchenmusik in Deutschland gewachsen. 550 Kinder und 300 Erwachsene proben dort regelmäßig. Den gleichen Trend zum Singen erleben auch weltliche Chöre. Allein der Deutsche Chorverband mit Sitz in Köln verzeichnet 120 000 junge Menschen in 3000 Kinder- und Jugendchören sowie 580 000 Erwachsene in 18 000 Chören.
»In den vergangenen drei Jahren ist ganz viel in Gang gekommen«, berichtet Rolf Pasdzierny vom bundesweiten Arbeitskreis Musik in der Jugend (amj). Der Verband aus Wolfenbüttel zählt bundesweit 200 Kinderchöre und organisiert regelmäßig Kinderchorfestivals, darunter den internationalen Eurotreff. »Die Kinder wollen Leistung. Sie wollen gefordert werden«, sagt Pasdzierny. Das erlebe er immer wieder. Wenn die Kinder als Belohnung Applaus erhalten und an Festivals teilnehmen, »dann gibt das ganz viel Motivation.«
Domkantor Münden kann das bestätigen: »Ich habe die pädagogische Arbeit umgekrempelt. Die Kinder gehen aus jeder Probe mit dem Gefühl raus, etwas gelernt zu haben.« Leistung zu fordern und die regelmäßigen Auftritte im Dom sieht der Kantor als Schlüssel zum Erfolg. Als er vor sechs Jahren in Braunschweig mit seiner Arbeit begonnen habe, gab es am Dom drei Kinderkantoreien. Inzwischen leitet Münden mit zwei Kollegen allein sieben Kinderkantoreien, und die Nachfrage steigt weiter. Insgesamt gibt es 24 Chöre an der Domsingschule.
Aber nicht nur die Chöre traditioneller Organisationen haben wieder starken Zulauf. Auch die Zahl der Chöre, die in keinem Verband organisiert sind, steigt stetig. Rainer Allewelt, Chorleiter im Braunschweiger Kulturzentrum Brunsviga, hat bereits mehrere Chöre neu gegründet. In der Brunsviga üben derzeit fünf Chöre und der nächste Einsteigerkursus ist bereits geplant. »Traditionelle Lieder sind nicht so gefragt. Wir singen Stücke der Beatles, aus Afrika und Südamerika.« Vielen Erwachsenen fehle der Mut zum Singen, bekannte Songs erleichterten den Einstieg. »Die Motivation ist sehr groß, und es gibt niemanden, der nicht singen kann«, beteuert Allewelt.
Aus reinem Spaß ist Bettina Thoenes zum Singen gekommen. Auf einem Dorffest hatte sich die heute 43-Jährige mit einigen Nachbarn als »Spontanchor« zusammen getan. Mittlerweile zählt der »Chor Hemkenrode« 26 Sänger. Zum Repertoire der Gruppe zählen Klassiker wie »Wochenend und Sonnenschein« von den Comedian Harmonists und »Hit the Road, Jack« von Ray Charles.
Den Trend ausnutzend, möchte Domkantor Gerd-Peter Münden sein »schönstes Problem« noch vergrößern. Für 2007 plant er ein Singfest: »100 000 Schüler werden dazu eingeladen«, sagt er.

Artikel vom 02.01.2006