31.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Ukraine an Neujahr ohne Gas?

Am 1. Januar läuft Ultimatum aus - Versorgung in Deutschland sicher

Moskau/Kiew/Berlin (dpa). Der Gasstreit zwischen Russland und der Ukraine droht vor dem Jahreswechsel zu eskalieren. Der von der russischen Regierung kontrollierte Gasproduzent Gasprom forderte am Freitag die ukrainische Führung ultimativ auf, die drastisch erhöhten Bezugspreise zu akzeptieren.

Falls dies nicht bis zum Jahreswechsel geschehe, würden die russischen Gaslieferungen für ukrainische Verbraucher am 1. Januar, 10 Uhr Ortszeit, eingestellt, drohte Gasprom-Chef Alexej Miller. Russland will zum 1. Januar die ukrainischen Bezugspreise für Erdgas von 50 Dollar für 1000 Kubikmeter auf die in Europa üblichen 230 Dollar erhöhen.
In Deutschland, dem größten Absatzmarkt für russisches Erdgas, forderten Politiker mehrerer Parteien Alt-Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) auf, sich vermittelnd in den Gasstreit einzuschalten. Schröder ist designierter Aufsichtsratschef der geplanten Ostsee-Gaspipeline, die mehrheitlich im Besitz von Gasprom sein wird. Schröder ließ später über sein Büro in Berlin mitteilen, dass er nicht für Stellungnahmen zur Verfügung stehe.
Regierungssprecher Ulrich Wilhelm erklärte, die Bundesregierung sei mit beiden Seiten im Gespräch, strebe jedoch keine Vermittlerrolle an. Die Bundesregierung gehe gehe davon aus, dass Russland und die Ukraine ihren Lieferverpflichtungen nachkommen.
Nach Angaben einer Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums ist die Versorgung Deutschlands mit Gas gesichert, auch wenn Russland die Gaslieferung durch die über ukrainisches Gebiet laufende Pipeline nach Westeuropa stoppen sollte. Deutschlands Speicher reichten im Falle eines Importstopps aus, das Land bis zu 75 Tage mit Gas zu versorgen »Des weiteren gibt es die Möglichkeit, Importe aus anderen Ländern zu steigern, etwa aus Norwegen.
Deutschland deckt nach Angaben des Bundeswirtschaftsministeriums 36 Prozent seines Gasbedarfs über Russland ab. Davon werden 80 Prozent über Pipelines durch die Ukraine nach Deutschland geliefert.
Gasprom richtete am Freitag in Moskau eine Einsatzgruppe ein, die weiterhin einen problemlosen Transport des für Staaten der Europäischen Union bestimmten Exportgases durch die Ukraine sicherstellen soll. Von den insgesamt etwa 110 Milliarden Kubikmeter Erdgas, die pro Jahr durch die »Sojus«-Pipeline fließen, sind bislang etwa ein Sechstel für den ukrainischen Markt bestimmt. Der Rest strömt weiter in Richtung Westen.
Die Regierung in Kiew setzte letzte Hoffnungen auf ein Telegramm von Präsident Viktor Juschtschenko an seinen russischen Amtskollegen Wladimir Putin. Darin bat Juschtschenko um einen Aufschub bis zum 10. Januar. Den Experten beider Länder müsse Zeit gegeben werden, um einen neuen Vertrag für das Jahr 2006 auszuhandeln, schrieb Juschtschenko. Ein Gasprom-Sprecher kommentierte das Telegramm mit den Worten, es bestehe die Verdacht, dass die Ukraine die Verhandlungen nur in die Länge ziehen wolle.
Juschtschenko hatte zuvor das Angebot seines russischen Kollegen Wladimir Putin zurückgewiesen, der Ukraine einen Milliarden-Kredit zur Bezahlung der drastisch erhöhten Gaspreise zu gewähren.
Die Europäische Kommission will am 4. Januar mit Energieexperten der 25 EU-Staaten über die Auswirkungen des russisch-ukrainischen Gasstreits auf die Staaten der Europäischen Union sprechen. Die EU-Kommission äußerte sich am Freitag angesichts des ungelösten Streits zwischen Moskau und Kiew zwar besorgt, zeigte sich aber zuversichtlich, dass dieser doch noch gelöst werden könne. Sowohl Russland wie auch die Ukraine hätten bisher alle ihre Lieferverpflichtungen in Richtung Europa eingehalten.
Seite 4: Kommentar

Artikel vom 31.12.2005