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Steno: Zehn mal schneller als normal

Kurzschrift haftet ein verstaubtes Image an - Sorgen um den Nachwuchs


Dortmund (dpa). Wolfgang Clement gilt unter seinen Kollegen als Schnellredner. Wenn der frühere Ministerpräsident von Nordrhein- Westfalen im Düsseldorfer Landtag richtig in Fahrt kam, schaffte er mehr als 400 Silben pro Minute. Für Franz-Josef Eilting sind Geschwindigkeiten wie diese immer wieder eine Herausforderung. Dann flitzt seine Hand über den Schreibblock, auf dem geheimnisvolle Kringel, Bögen und Klammern zurück bleiben.
Franz-Josef Eilting ist Parlamentsstenograf. Seit 26 Jahren sitzt der 55-Jährige als stummer Mitschreiber im nordrhein-westfälischen Landtag und sorgt dafür, dass kein gewichtiges Wort für die Nachwelt verloren geht. »Normalschreiber kommen da nicht weit«, sagt er. Darum bedienen er und seine Kollegen sich einer im High-Tech-Zeitalter längst totgesagten Fertigkeit: der Stenografie. »Damit kann man bis zu zehn Mal schneller schreiben als normal«, erklärt er. Zwar wird in den Landtagen und im Bundestag mittlerweile auch per Computer aufgezeichnet. Doch während eines Plenums muss alles dokumentiert werden, auch wenn jemand Beifall klatscht oder dazwischen gerufen wird. »Mit einer Tonaufnahme allein ist das nicht zu leisten.«
Sein Handwerk hat der gebürtige Rheinenser unter anderem beim ältesten Stenografenverein Westdeutschlands gelernt: dem Stenografenverein Dortmund 1864 e.V. Unter den Parlamentsstenografen gilt der Verein als Talentschmiede. »Viele der derzeit aktiven Parlamentsschreiber Deutschlands waren hier Schüler«, erzählt Vorstandsmitglied Gerd Rölleke stolz. Allein fünf der zwölf Parlamentsstenografen, die im Düsseldorfer Landtag arbeiten, kommen aus Dortmund. Hier ist man froh über jedes neue Mitglied. »Uns fehlt der Nachwuchs«, sagt Rölleke. »An einer Schule mit 1000 Schülern ist es für uns heute unmöglich, einen Kurs mit zehn Kindern zu füllen«, bedauert der 69-Jährige. Das liege an dem verstaubten Image, das der Kurzschrift anhaftet. »Für Kinder ist Stenografie heute oft ein unbekanntes Fremdwort.«

Artikel vom 31.12.2005