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Nach dem Dachstuhl-Brand:
Zimmermeister zeigt Mitleid

Michael Reimann (43) repariert gratis - bis zur Insolvenz


Von Gerhard Hülsegge
(Text und Foto)
Bielefeld (WB). Heiligabend hatte Aydin Y. (29) seinen Rohbau an der Hauptheide in Jöllenbeck angezündet - der familiäre Stress war dem Mann über den Kopf gewachsen (das WESTFALEN-BLATT berichtete). Gestern kam unverhoffte Hilfe: Zimmermeister Michael Reimann aus Borchen bei Paderborn repariert kostenlos den Dachstuhl auf dem neuen Haus. Nicht nur aus Mitleid, sondern auch »weil die Behörde mir zum Jahresende den Betrieb dicht gemacht hat«, so der 43-Jährige.
»Ich habe mich mit der Innung angelegt und das war tödlich«, beschreibt der Unternehmer, der 1993 Insolvenz angemeldet hatte, seine derzeitige Situation. Das Insolvenzgericht hat ihm die Befreiung von der Restschuld verwehrt, weil Auflagen angeblich nicht erfüllt wurden. Reimann: »Meine Mitstreiter traktieren mich, seitdem ich noch mit 40 Jahren meinen Meister gemacht habe.« Zwar durfte er 2005 seinen Betrieb neu eröffnen. Die Sondergenehmigung läuft aber zum 31. Dezember aus. Der Kreis fordert die Abmeldung des Gewerbes. »Und das, obwohl ich ein Auftragsvolumen für das nächste Jahr von 128000 Euro habe«, sagt Reimann.
»Du bist außer meinem Onkel der einzige der helfen kann«, hatte sich der Aramäer aus Jöllenbeck, der nach familiären Problemen zum Benzinkanister gegriffen und später selbst versucht hatte, das Feuer wieder zu löschen, nach dem Brand an seinen Zimmermann gewandt. Der bot dem Bauherrn und Familienvater an, den entstandenen Schaden von rund 30000 Euro wieder zu beheben. Ohne einen Cent Lohn für seine Arbeit zu verlangen. Nur das Material muss der Brandstifter am eigenen Hause bezahlen.
»Ich lebe von meinen Ersparnissen«, zeigt sich Michael Reimann großzügig. Gemeinsam mit dem Statiker und Architekten will er »retten, was zu retten ist«. Auch Zimmergeselle Paul Rempel (31) hilft dabei, unter anderem die verkohlten Mittel- und Firstfetten zu erneuern. Er steht, so das Insolvenzgericht es sich nicht noch anders überlegt, Neujahr auf der Straße - wie vier weitere Kollegen, die noch bei der Zimmerei und Dachdeckerei Reimann beschäftigt sind. Rund zwei Wochen werden die Handwerker aus dem Paderborner Land noch im Bielefelder Stadtteil zu tun haben. Ihre Zukunft ist ungewiss.

Artikel vom 30.12.2005