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Blättern in Erinnerungen: Lisa und Kurt Harmuth.Foto: Wemhöner

Die Harmuths singen schon seit 220 Jahren

Sängergemeinschaft treu geblieben

Von Elke Wemhöner
Jöllenbeck (WB). »Ohne Harmuth geht's nicht«, heißt es hin und wieder bei den Proben der Sängergemeinschaft Jöllenbeck. Und das aus gutem Grund: nicht nur die Brüder Kurt (78) und Klaus (69) Harmuth, auch ihre Ehefrauen Lisa (78) und Renate (67) verstärken den Traditionschor. Und alle vier singen dort mindestens 50 Jahre mit - im Bass beziehungsweise im Sopran.

Kurt Harmuth kann sich noch gut an die Wiedergründung nach dem 2. Weltkrieg erinnern; die Sängergemeinschaft gab es schon seit 1922. Er hatte in einem Zeitungsblatt von der Veranstaltung gelesen und hatte sich - wie viele andere Jöllenbecker auch - im Dorfkrug eingefunden. Als zum Abschluss »Eintracht und Liebe« angestimmt wurde (die ehemaligen Mitglieder konnten es noch ohne Noten singen), war der junge Spund - wie man in Westfalen sagt - davon sehr angetan. »Und da habe ich sofort den Aufnahme-Antrag ausgefüllt.«
Das war 1946, seitdem sind nun beinahe 60 Jahre vergangen, in denen Kurt Harmuth »seiner« Sängergemeinschaft die Treue gehalten hat. Und im Bass möchte er noch lange mitsingen, auch wenn die nachlassende Sehkraft das Notenlesen sehr erschwert. »Ich singe eben auswendig«, meint er und lächelt dabei.
In der Familie wurde gern und häufig gesungen - nicht nur zur Weihnachtszeit. Das war auch in der Familie Gießelmann so. »Ich kann mich noch gut erinnern, dass meine Mutter selbst beim Fensterputzen Volkslieder gesungen hat«, erzählt Lisa Harmuth, geborene Gießelmann. Sie kam zwei Jahre später als ihr Mann zur Sängergemeinschaft. »Haushalt, Kinder - das ließ sich nicht immer alles unter einen Hut bringen.«
Ihre Begeisterung für den Chorgesang war so nachhaltig, dass Klaus Harmuth 1954 dazu stieß. Dass seine Ehefrau Renate ebenfalls im Chor singt (und das schon seit 50 Jahren), ist da nur folgerichtig
Kurt Harmuth ist nicht nur das »dienstälteste« Mitglied, er ist auch der Senior im Chor. Und der ist ihm wichtig. Als sein Geburtstag auf einen Dienstag, den regulären Probenabend, fiel, wurde die Geburtstagsfeier eben um einen Tag verschoben. Wahrscheinlich fiel das Geburtstagsständchen, das die Sängerinnen und Sänger ihn an diesem Abend brachten, besonders schön aus. Und was wünscht sich der Jubilar bei solchen Anlässen? »Abendruhe« sagt Kurt Harmuth postwendend.
Wer sechs Jahrzehnte Chorentwicklung miterlebt hat, kennt die Höhen und Tiefen einer solchen musikalischen Gemeinschaft. Der Rückgang der aktiven Mitglieder hat Harmuth mit Sorge gesehen und ist heute froh, dass wieder 51 Sängerinnen und Sänger dabei sind. »Es gab Zeiten, da waren wir nur wenige Bässe. Und wenn dann krankheitsbedingt Chorkollegen ausfielen, stand auch auch mal alleine da.«
Kurt Harmuth mag die Volkslieder besonders, ist aber auch bei modernen Stücken immer die verlässliche Stütze. Lieder mit fremdsprachigen Texten in Englisch oder Französisch oder in Latein sind mühevoller zu lernen, aber er strengt sich dann um so mehr an. Die verschiedenen Auftritte, manchmal auch verbunden mit einer kleinen Chorreise, sind dann die Höhepunkte im Sängerleben. In Lippe hat die Sängergemeinschaft Jöllenbeck einen guten Ruf, wird immer wieder von anderen Chören eingeladen. Qualität wird eben geschätzt - die Jürmker haben schon manchen Pokal »ersungen«. Der Heimatverein Jöllenbeck »bucht« sie immer wieder für seine Feiern, im Altenzentrum Paul-Gerhardt-Haus sind sie Stammgäste und bei den Kulturveranstaltungen auf dem Marktplatz dürfen sie auch nicht fehlen. Das jüngste »Highlight« war das große Adventskonzert in der Marienkirche, bei der die Sängergemeinschaft gemeinsam mit der Kantorei, dem Posaunenchor und dem Feuerwehrmusikzug der Stadt Bielefeld zu hören war. »Eine tolle Akustik hat die Kirche - vor allem nach der Renovierung«, schwärmt Harmuth. Und gern erinnert er sich an das Schlusslied, dass alle Beteiligten gemeinsam intonierten. »Es macht Spaß, mitten in einem großen Klangkörper zu sein«, erklärt er und denkt dabei an ein großes Freiluft-Konzert auf dem Herforder Marktplatz, wo sich mehrere Chöre beteiligten.
Natürlich haben Lisa und Kurt Harmuth ihre Liebe zur Musik weitergeben. Aber Sohn Dieter gab - gemessen an seinen Eltern - aus beruflichen Gründen nur ein kurzes Gastspiel in der Sängergemeinschaft Jöllenbeck und auch Schwiegertochter Elke musste aus zeitlichen Gründen passen. Auch im Enkelkreis gibt es die eine oder andere musikalische Begabung - allerdings ohne Chor-Ambitionen.

Artikel vom 31.12.2005