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»Tanga-Mord«:
Urteil bestätigt

Strafverteidiger macht sich Vorwürfe

Von Wolfgang Wotke
Rheda-Wiedenbrück (WB). War es Totschlag? War es Mord aus Heimtücke? Oder tötete Thomas Z. (35) aus Rheda-Wiedenbrück seine 35-jährige Lebensgefährtin Angela T. vor zwei Jahren aus niedrigen Beweggründen?

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat jetzt das Urteil des Landgerichtes Bielefeld im so genannten »Tanga-Mord-Prozess« endgültig bestätigt: Lebenslange Haft wegen Mordes und nicht wegen Totschlags. »Ich bin erleichtert, dass dieser Fall abgeschlossen ist«, sagte gestern die Vertreterin der Nebenklage, Rechtsanwältin Gabriele Martens. Sie sei nach dem ersten Urteil im Mai 2004 belächelt worden, weil sie nach Absprache mit den Hinterbliebenen des Opfers eine Verurteilung wegen Totschlags nicht hinnehmen wollte und in Revision ging. Martens: »Ich war die Einzige, die auf Mord plädierte.« Thomas Z. erhielt damals zwölf Jahre Gefängnis.
Der BGH hob dann überraschend das erste Urteil mit dem Hinweis auf, dass es sich vielleicht doch um Heimtücke handelte. Vor der III. Strafkammer des Landgerichtes Bielefeld kam es im Mai 2005 zu einem neuen Prozess, in dem Richter Reinhard Kollmeyer am Ende keine Heimtücke, sondern »Mord aus niedrigen Beweggründen« feststellte und eine lebenslange Freiheitsstrafe verhängte. Damit war Strafverteidiger Dr. Sven Grotendiek (»Das ist konstruiert«) überhaupt nicht einverstanden. Er ging ebenfalls in Revision. Selbst Staatsanwalt Klaus Metzler sprach von einem Motivbündel und plädierte für Totschlag. Grotendiek: »Es ging nämlich darum, ob mein Mandant seine Partnerin nur tötete, um sie mundtot zu machen.« Z. hatte ausgesagt, dass er Angela T. auch aus Wut erdrosselte, weil sie ihn ungeheuerlich beleidigt habe. »Und dann ist es eben nach unserem Recht Totschlag«, sagt Sven Grotendiek.
Der enttäuschte Bielefelder Rechtsanwalt macht sich mittlerweile große Vorwürfe, dass er nicht gleich nach dem ersten Urteil durch Richterin Jutta Albert »den Sack zugemacht« habe. »Ich hätte im ersten Durchlauf für eine schnelle und problemlose Hauptverhandlung sowie für einen Schlusstrich sorgen müssen. Aber ich wollte für meinen Mandanten mehr erreichen.« Doch die »Albert-Kammer« habe ein juristisch angreifbares Urteil geschrieben, obwohl sie die Sache selbst gefühlsmäßig richtig eingeordnet hat. »In den Monaten danach habe ich mit diesem Fall regelrecht gelebt. Ich habe das Urteil von Richter Kollmeyer unter meinem Kopfkissen gehabt und stand ständig in Kontakt mit einem Bundesanwalt in Karlsruhe«, gesteht er im Gespräch mit dem WESTFALEN-BLATT.
Heute sei er zu der Erkenntnis gekommen, dass Verteidigerehrgeiz manchmal auch zu weit gehen und über das Ziel hinausschießen kann. Und dann frage er sich immer wieder, ob der Richter den Fall doch richtig gesehen hat? Dr. Sven Grotendiek ist ehrlich und sagt: »Das belastet mich. Damit muss ich jetzt leben.«

Artikel vom 30.12.2005