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Mit Operation
armen Kindern
im Jemen helfen

Brackweder ehrenamtlich im Einsatz

Von Peter Monke
Brackwede (WB). »Die Dankbarkeit, die man vor Ort erlebt, ist überwältigend«, sagt Dr. Dr. Peter Karl. Am 14. Januar bricht der 66-jährige Brackweder gemeinsam mit zehn weiteren Kollegen in den Jemen auf, um dort Kinder mit Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten kostenlos zu operieren.

Bereits zum fünften Mal opfert der Mediziner, der als Belegarzt für Kiefer- und Gesichts-Chirurgie am Klinikum Gilead in Bethel arbeitet, dafür zwei Wochen seines Jahresurlaubs. Organisiert wird der Trip in das arabische Land vom »Hammer Forum«, einer Verbindung von Ärzten aller Fachrichtungen sowie Schwestern und Laien, die Kindern in Kriegs- und Krisengebieten helfen wollen. Dass es Karl in den Jemen verschlagen hat, ist dabei mehr oder weniger dem Zufall geschuldet. Vor Jahren brachte Dr. Theo Emmanouilidis, damals Chirurg in Bünde und zudem Organisator vieler Fahrten des »Hammer Forums«, zwei Kinder aus dem Jemen mit nach Deutschland. Beide wurden von Karl operiert, und »bei der Gelegenheit hat er mich gefragt, ob ich nicht mal mitfahren möchte«.
Nach kurzem Zögern entschied er sich für das Abenteuer, das inzwischen fast zur Selbstverständlichkeit geworden ist. »Wenn man einmal angefangen hat, dort zu helfen, will man immer weitermachen. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, das jetzt wieder hinzuwerfen.«
Der Andrang vor Ort ist jedes Mal riesig. Während sich reiche Familien im Jemen auch aufwendige Operationen leisten können, zur Not sogar in Ägypten oder Jordanien, sieht der weitaus größere Anteil der Armen in der jemenitischen Bevölkerung seine einzige Chance auf eine Behandlung oft im kostenlosen Wirken der europäischen Ärzte.
Viele von Karls Patienten weisen trotz ihres jungen Alters bereits starke, nicht selten das Gesicht entstellende Deformierungen des Oberkieferknochens bis hin zur Nase auf. Dabei kommen Lippen-, Kiefer- oder Gaumenspalten im Jemen keinesfalls häufiger vor als in Deutschland. Hier wie dort leidet etwa jedes 500. Neugeborene unter dieser Erkrankung. »In 25 Prozent der Fälle ist dies erblich bedingt, der weitaus größere Teil rührt jedoch aus Baufehlern der Natur, bei denen keiner so genau weiß, warum sie passieren«, erklärt der Mediziner.
In Deutschland ist der Anblick dieses Krankheitsbildes im Alltag nur so selten, weil hier bereits Säuglinge im Alter von vier bis sechs Monaten behandelt werden. »Im Jemen kann man dagegen Pech haben und erst im Erwachsenenalter operiert werden. Je länger man jedoch wartet, desto ausgeprägter sind die Deformierungen und umso aufwendiger ist die Behandlung.« Hinzu kommt, dass viele kleine Kinder zu stark unterernährt sind, um operiert werden zu können.
Um die Eingriffe im Jemen überhaupt realisieren zu können, müssen die dafür notwendigen Gerätschaften aus Deutschland mitgebracht werden. Sogar ein Techniker gehört zum Team, der die Anlagen regelmäßig warten kann. Solche Spezialisten gibt es im Jemen nicht. »Einmal hatten wir ein Problem, weil uns destilliertes Wasser fehlte, ein Teil der Geräte aber nur damit lief«, erinnert sich Karl.
Bis zu 40 Kinder behandelt er an den zehn Operationstagen, die ihm zur Verfügung stehen. »Mehr schaffe ich einfach nicht.« Nur an einem Freitag - der für Araber die Bedeutung hat wie für uns der Sonntag - hat er frei. Zeit, die er für kulturelle Erkundungstouren ins Landesinnere nutzt. Ob Besuche in einer Moschee, in den ärmlichen Zeltstädten, die es dort überall gibt, oder beim Scheich, wo der pure Luxus herrscht - Karl hat schon viele Facetten des Jemen kennen gelernt.
Angst vor einer Entführung hat er angesichts der inzwischen glücklich beendeten Verschleppung des früheren Staatssekretärs Jürgen Chrobog und seiner Familie nicht. »In Großstädten wie Taiz, wo wir sind, passiert so etwas kaum«, sagt er. Außerdem fahre mit Reiseleiter Emmanouilidis ein Mann mit, der auf reichlich Erfahrung aus Krisengebieten wie dem Irak oder Somalia zurückgreifen könne. »Der sagt immer zu mir: Peter, ich bin nicht lebensmüde. Solange der keine Warnung ausstößt, kann man mitfahren.« Im Übrigen befürwortet die Regierung den Einsatz der helfenden Ärzte. »Ein weiterer Aspekt, durch den man besser geschützt ist«, sagt Karl. Doch auch er gibt zu: »Für Touristen ist der Jemen derzeit sicher nicht empfehlenswert.«

Artikel vom 02.01.2006