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Daimler-Chrysler verkauft MTU

Schwedischer Finanzinvestor EQT zahlt 1,6 Milliarden Euro für Dieselmotorenhersteller

Stuttgart (dpa). Nach monatelangem Verhandlungspoker hat der Stuttgarter Automobilkonzern Daimler-Chrysler den Dieselmotorenbauer MTU Friedrichshafen für 1,6 Milliarden Euro an den schwedischen Finanzinvestor EQT verkauft.

Zu dem Geschäft gehört auch der Verkauf der Großmotorenfertigung von Detroit Diesel in den USA. Die Stuttgarter trennen sich damit von einer ihrer letzten großen Industriebeteiligungen und forcieren die Konzentration auf den Automobilbau.
Die Belegschaft von MTU zeigte sich in einer ersten Reaktion zufrieden. Der Chef von EQT in Deutschland, Marcus Brennecke, sagte, dass beim angestrebten Wachstumskurs auch ein Aufbau bei der Mitarbeiterzahl denkbar sei. Die MTU-Gruppe erwartet im kommenden Jahr zusammen mit Detroit Diesel einen Umsatz von zwei Milliarden Euro.
Nicht zum Zuge kamen der Münchner Maschinenbaukonzern MAN und der amerikanische Finanzinvestor KKR. Daimler-Chrysler-Vorstand Rüdiger Grube sagte dazu: »Bei vergleichbaren Preisvorstellungen der drei Kaufinteressenten haben wir uns für den Bieter mit dem überzeugendsten Konzept entschieden.« Mit dem Verkauf an EQT seien die Weichen für die weitere Expansion von MTU Friedrichshafen gestellt.
Da beim Verkaufspreis liquide Mittel, Schulden und Pensionsverpflichtungen von MTU berücksichtigt werden, beträgt der Liquiditätszufluss für DaimlerChrysler voraussichtlich eine Milliarde Euro, teilte das Unternehmen in Stuttgart mit. Die zum schwedischen Wallenberg-Imperium gehörende EQT will langfristig in die Expansion von MTU investieren und hat nach eigenen Angaben keine Pläne für einen Stellenabbau in der Schublade.
Die Geschäftsführung und der Betriebsrat der MTU Friedrichshafen reagierten positiv. »EQT ist unser Wunschkandidat, der sich in erheblichem Maß finanziell an unserem Unternehmen beteiligen und uns auf unserem Wachstumskurs begleitet«, sagte MTU-Geschäftsführer Volker Heuer in Friedrichshafen. Zufrieden zeigte sich auch MTU- Betriebsratsvorsitzender Karl-Heinz Wulle, auch wenn sich die Arbeitnehmervertretung zunächst für einen industriellen Käufer ausgesprochen und dabei den Münchner Konzern MAN favorisiert hatte. »Der Finanzinvestor EQT verfolgt einen eher industriellen Ansatz, der sich am detaillierten Konzept, das uns präsentiert wurde, gut ablesen lässt«, sagte Wulle. Er verwies darauf, dass MTU als tarifgebundenes Mitglied im Arbeitgeberverband bleiben werde.
Beim operativen Konzernergebnis von Daimler-Chrysler wird sich die Transaktion mit etwa 400 Millionen Euro positiv niederschlagen. Das Konzernergebnis wird um etwa 300 Millionen Euro höher ausfallen. Mit dem Geld aus dem Verkauf will Daimler-Chrysler vorwiegend den Abbau von 8500 Stellen im kommenden Jahr finanzieren. Dafür hat das Unternehmen 950 Millionen Euro angesetzt.
Noch ist der Verkauf nicht endgültig in trockenen Tüchern. Genehmigt werden muss er vom Bundeswirtschaftsministerium in Berlin und den Kartellbehörden in mehreren Ländern. Der Wirtschaftsminister hat nach dem Außenwirtschaftsgesetz ein Mitspracherecht, weil es um rüstungspolitische Kernkompetenzen geht. MTU liefert auch Motoren für den Kampfpanzer Leopard.
MTU produziert mit etwa 7000 Beschäftigten, davon 5000 am Stammsitz Friedrichshafen, Motoren für Schiffe, Bahnen, Militär- und Baufahrzeuge sowie Energieversorgungsanlagen. Im vergangenen Jahr betrug der Umsatz 1,35 Milliarden Euro. Der Auslandsanteil lag bei 76 Prozent. Für das laufende Jahr peilt der Konzern einen Umsatz von 1,58 Milliarden Euro an.

Artikel vom 29.12.2005