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Mit Champagner ins neue Jahr Das festlichste aller Getränke lebt von seinem Mythos - aber deutscher Jahrgangssekt ist auch nicht schlecht
Zum Jahreswechsel ist Champagnerlaune angesagt. Für viele Genießer ist der weltberühmte französische Schaumwein der Inbegriff aller festlichen Getränke.
Und dabei prickelt natürlich mit, dass es früher der pure Luxus für Reiche war, ihn zu vernaschen. Dank Supermarkt und Discounter ist heute aber selbst der Lohnsteuerzahler dabei: Man gönnt sich ja sonst nichts!
Wenn auch deutsche Winzer längst sehr guten Jahrgangssekt in Flaschengärung produzieren - der Name Champagner ist dem Original vorbehalten. Und das kommt nur aus einem gesetzlich festgelegten Gebiet etwa 150 Kilometer nordöstlich von Paris.
Die Landschaft Champagne rund um Reims bietet dem Gewächs ein kühles Klima und Kreideböden, die dem Edelgetränk seinen unverwechselbaren Geschmack geben.
Champagner - die Liste seiner berühmten Liebhaber ist lang. Casanova schlürfte ihn nicht nur beim Schreiben seiner amourösen Abenteuer. Madame Pompadour ließ sich beim Glasperlenspiel vom köstlichen Stoff inspirieren. Champagner war ein Hauptakteur beim Wiener Kongress, trug bei zu einer friedlich-konservativen Lösung für Europa. Champagner schäumte bei den Siegesfeiern des Zaren nach dem napoleonischen Russland-Desaster. Champagner versüßte manchem Machtmenschen den Verlust der Macht.
Otto von Bismarck versprach anlässlich seiner Demissionierung, mindestens 1000 Flaschen Champagner werde er noch trinken, jeden Tag eine. Der Reichskanzler in Ruhe stand mit eiserner Disziplin zu seinem Wort, übertraf die Vorgabe bei weitem.
Napoleon fand schon die Verbannung auf die karge Insel St. Helena als harte Strafe dafür, dass er ganz Europa mit Krieg überzogen hatte. Dass ihm die Sieger aber doch tatsächlich nur eine einzige Flasche Champagner pro Tag zugestehen wollten, das war für ihn barbarisch.
Die Erfindung des Luxusgetränks geht maßgeblich auf den Benediktinermönch Pierre Pérignon (1638-1715) zurück. Als Dom (ranghöchster Mönch nach dem Abt) war er der Kellermeister der Abtei von Hautvillers. 47 Jahre lang experimentierte er mit der Traube und im Keller - mit großem Erfolg. Eines schönen Tages füllte er (die Legende sagt: per Zufall) noch gärenden Wein in Flaschen ab. Doch irgendwann knallten die Korken: Die Gärung war in der Flasche fortgeschritten. Und was nun unter Druck herausperlte, gefiel dem Bruder Pérignon durchaus. Voilà - der Champagner war geboren. Noch heute wird im 875 Seelen zählenden Hautvillers an der Côte des Blancs vor allem eines verkauft: der Prizzelsekt nach Art des alten Dom.
Die (junge) Witwe - französisch Veuve - Nicole-Barbe Clicquot (1777-1866) erfand gut 100 Jahre später, anno 1806, die Rüttelpulte, mit deren Hilfe das Hefedepot aus den Weinen entfernt werden konnte. Von da an war Veuve Clicquot (und anderer Champagner) nicht mehr trüb und stieg erst recht zum Luxusgut auf.
Eine andere (ebenfalls junge) Witwe, Louise Pommery (beide Damen hatten sich mutig für die Weiterführung der Champagner-Häuser ihrer verstorbenen Ehemänner entschieden, großen Erfolg damit und verstarben viel, viel später und steinreich), Madame Pommery also war 1874 die erste, die trockenen Champagner (Brut) entwickelte und damit den Markt für den bisher vor allem zum Dessert gereichten Schaumwein neu aufrollte.
Auch ein Ostwestfale trug dazu bei, das der Champagner seinen Siegeszug durch die feine Welt antreten konnte. Im Jahre 1777 ließ sich der aus Borgholzhausen stammende Pastorensohn Florenz-Ludwig Heidsieck (1749-1828) in Reims nieder. Er wollte eigentlich mit Tuch handeln, fand dann aber den Champagner interessanter. Nach dem frühen Tod seines Sohnes holte er seine noch in der westfälischen Heimat lebenden drei Neffen ins Unternehmen. Aus Florens-Louis' (so nannte er sich als französischer Staatsbürger) ursprünglichem Haus Heidsieck & Co. erwuchsen drei unabhängige Champagner-Häuser, heute als Heidsieck & Co. Monopole, Piper-Heidsieck und Charles Heidsieck weltbekannt.
Die Spitzenpreise für eine Flasche Champagner können heute bei 300 Euro liegen. »Aber ein ordentlicher Tropfen beginnt bereits bei etwa 20 Euro«, sagt Winzer Paul Fürst aus dem fränkischen Bürgstadt, der seinerseits einen deutschen Spitzen-Winzersekt in Flaschengärung keltert. Allerdings erfreut sich auch das günstigere Produkt eines Discounters, der seinen Schampus nach einer (vermutlich frei erfundenen) Veuve benennt, großer Beliebtheit.
Winzer Fürst darf zwar nicht darauf, besten Gewissens aber auf die guten Sekte hinweisen, die in deutschen Landen aus der Rieslingtraube gekeltert werden. Sie können es durchaus mit dem einen oder anderen Champagner aufnehmen. »Beim Winzersekt müssen immer die Lage und der Jahrgang angegeben werden und der Bezug zu einem Weinberg da sein«, erklärt Fürst die Vorgaben der Qualitäts-Produktion. Wer sich's an Silvester leisten kann, der solle mal zwei Flaschen aufmachen, rät der Franke - einen Original-Champagner und dazu einen deutschen Winzersekt. »Der Vergleich lohnt.«
Nikolaus Dominik
Ingo Steinsdörfer

Artikel vom 30.12.2006