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Die spannende
Geschichte des
Finanzwesens

Ausstellung 100 Jahre Commerzbank

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Fotos)
Bielefeld (WB). Die beiden Hausherren haben ihre Freude an der Ausstellung in der Kassenhalle. »Sehr viele Bielefelder kommen und stöbern in den Exponaten«, freut sich Edwin Kieltyka. Neben originalen Kassenbüchern gibt es Fotoreproduktionen und sogar bewegte Bilder in einem kleinen Videofilm. Die Commerzbank AG feiert am Bielefelder Jahnplatz ihren 100. Geburtstag.

Genaugenommen ist der Standort am Jahnplatz älter als die Commerzbank selbst. Ein Vorgängerinstitut der Bank, der Barmer Bankverein, hatte seinerzeit das regionale Bankhaus A.W. Dreyer Wwe. übernommen. Der Ursprung einer langen und erfolgreichen Verbindung mit der Stadt Bielefeld ist den meisten Menschen im Oberzentrum allerdings weniger im Bewusstsein als der Standort an dem pulsierenden Knotenpunkt, der seit 100 Jahren baulich besonders geprägt war. »Bei der Sichtung der historischen Unterlagen wird einem bewusst, wie spannend und abwechslungsreich das letzte Jahrhundert war«, sagt Thomas Elshorst.
Der für das Firmenkundengeschäft verantwortliche Direktor hatte zusammen mit Edwin Kieltyka, dem Chef des Privatkundengeschäftes, sowie einem ganzen Team seit dem vergangenen Jahr an der Vorbereitung des großen Jubiläums gearbeitet, Akten durchstöbert, Fotos gesichtet und mit den Historikern der Stadt zusammengesessen. Dabei arbeiteten sich der gebürtige »westliche Westfale« Elshorst und der Badener Kieltyka tief in die ostwestfälisch-mittelständisch geprägte Geschichte ein.
Immerhin geht auch die Geschichte des Bankstandortes am Jahnplatz auf mittelständische Strukturen zurück. Das Bankhaus A.W. Dreyer Wwe. entstand genaugenommen aus dem Schinkenhandel der Familie Dreyer. Das exakte Gründungsdatum der Bank ist in den Unterlagen verschütt gegangen, gesteht Thomas Elshorst augenzwinkernd. Dafür konnte man bis 1867 zurück rekonstruieren, wie die Familie aus Kaunitz einen Handel mit Manufakturen, Textilien und Schinken betrieb. Man verlegte eine Vertriebsstelle nach Bielefeld und entwickelte aus dem Schinkenhandel schließlich Kreditgeschäfte.
Schon kurz nach der Jahrhundertwende entstand an der Stresemannstraße das Bankhaus A.W. Dreyer Wwe., das dann 1905 im Bankverein aufging. Der Sohn des Gründers, Gustav Dreyer, trat als Bankdirektor in die Dienste der neuen Bank. Im Jahr 1907 kaufte man das Gebäude der alten Post am Jahnplatz, dort wo bis heute der Standort der Commerzbank ist. Übrigens: 1905 zählte Bielefeld zwar nicht einmal 70 000 Einwohner, dafür aber 3000 Haushalte mit Viehhaltung. Allein in der Innenstadt waren 1200 Pferde, 500 Kühe, 3300 Schafe und 1200 Ziegen registriert. Die Stadt brachte es auf ganze 5000 Wohngebäude. Dafür lebte aber die Zahl von durchschnittlich 15 Personen in jedem Haus - heute kaum noch vorstellbare Verhältnisse.
Das 1909 feierlich eingeweihte Haus im repräsentativen Barmer Bankenstil überstand den Ersten Weltkrieg und fast auch den Zweiten. Erst im letzten Kriegsjahr 1945 wurde das Haus mit den stattlichen Säulen und dem Kuppeldach stark beschädigt und musste nach Kriegsende wiederhergestellt werden. So wurde das Gebäude mit der klassischen Putzfassade auch noch Augenzeuge des Wirtschaftswunders und des aufstrebenden Jahnplatzes als zentralem Bielefelder Platz, um den sich noch in den sechziger Jahren mehrere Kaufhäuser gruppierten. Erst 1970 rückten bei der Commerzbank die Bagger an.
Es entstand ein für seine Zeit hochmoderner Zweckbau - der schon 1998 erneut total entkernt und neu aufgebaut wurde, ausgestattet mit hochmoderner Klimatisierung durch Doppelfassade. Seit 2000 repräsentiert das imposante Objekt die Commerzbank in Bielefeld, ist Anlaufadresse für die Privatkundschaft und das Team von Edwin Kieltyka, während das Firmenkundengeschäft im East-End-Tower in Sieker von Thomas Elshorst erledigt wird.
In der Zukunft mehr noch als in der Vergangenheit soll die Adresse am Jahnplatz ein Kommunikationstreffpunkt sein, wie es rund um die Jubiläumsausstellung eben viele Bielefelder erleben, wenn sie an den Glasvitrinen stöbern und Gleichgesinnte treffen. Von Zeit zu Zeit sind dann auch die Haltestellendächer vor der Bank Gesprächsstoff. Die unschönen Blechdächer für die wartenden Fahrgäste gehören zu den größten baulichen Pannen in Bielefeld, da sind sich die Direktoren einig.

Artikel vom 11.01.2006