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Liebenswerter Laden
schließt an Silvester

Renate Heyne-Wittland beendet eine Schreibwaren-Ära

Von Michael Diekmann
und Hans-Werner Büscher (Foto)
Bielefeld (WB). Gestöbert werden kann noch bis Samstagmittag. Wenn Renate Heyne-Wittland Silvester ihr kleines Fachgeschäft in der Wilhelmstraße endgültig schließt, endet eine Ära, verliert die Bielefelder Innenstadt einmal mehr eine Institution im Einzelhandelsbild.

»Wir haben immer von den Stammkunden gelebt, von unserem Service und von unserer Freundlichkeit«, erzählt Inhaberin Renate Heyne-Wittland, sortiert liebevoll die farbigen Grußkarten in den einzelnen Fächern, hilft nebenbei noch einer Kundin bei der richtigen Kalenderauswahl und beantwortet die Frage einer Mitarbeitern nach einem Preis. In ihrem Geschäft ist sie in ihrem Element - auch oder gerade drei Tage vor der endgültigen Geschäftsschließung.
Der Sohn ist Computerfachmann geworden, die Enkelkinder studieren, aber eben keines in Richtung Einzelhandel, bedauert die Vollblut-Kauffrau. Und weil es »irgendwann genug gewesen sein muss« und sie noch Reisen mit Ehemann Oskar unternehmen möchte, hat sich Renate Wittland-Heyne schweren Herzens entschlossen, das traditionsreiche Schreibwarengeschäft Heyne in der zweiten Generation aufzugeben: »Genug ist genug.«
Vater Georg Heyne hatte das Geschäft 1933 eröffnet, zusammen mit Ehefrau Anneliese an der Ecke Güsenstraße/Hagenbruchstraße. Heyne, als Zeitungsredakteur im Umgang mit Block und Bleistift versiert, entschloss sich seinerzeit, all den Bedarf für die damals fast durchweg mit Papier und Stift gepflegte Kommunikation selbst zu verkaufen. Das Geschäft lief ausgezeichnet, schon fünf Jahre später musste man umziehen an die Viktoriastraße/Ecke Niederwall. Samt Wohnung lebte die Familie viele Jahre im Schatten des alten Rathauses. Bereits 1940 starb der Firmengründer Georg Heyne. »Da hat meine Mutter den Laden allein weitergeführt«, erinnert sich Renate Heyne-Wittland.
Der Krieg und die massiven Zerstörungen im Bielefelder Stadtbild bedeuteten auch für die Heynes tiefe Einschnitte. Im Jahr 1944 fiel das Wohn- und Geschäftshaus einem Bombenangriff zum Opfer. Mutter und Tochter bauten es wieder auf. Für die junge Renate Heyne, die in Detmold eine kaufmännische Ausbildung absolviert hatte, folgte der Sprung ins kalte Wasser. Sie übernahm den Laden und machte ihren Weg. Mit kreativen Ideen, einer Vielzahl Karten und Geschenkideen sowie Kerzenständern und all jenen liebenswerten Dingen für die Deko zu Weihnachten und Ostern baute sie sich einen großen Stammkundenkreis auf. 1977 zog Heyne aus der Viktoriastraße (wo heute das neue Rathaus steht) in die Wilhelmstraße.
Auf ihre langjährigen Mitarbeiterinnen Elfriede Grünewälder, Annelie Hersing und Brunhild Kohring hat Renate Heyne-Wittland immer bauen können. »Aber das Bild der Innenstadt hat sich verändert, gerade in kleineren Ecken wie hier in der Wilhelmstraße«, bedauert die Bielefelderin. Und mit dem Entfall des Busbahnhofes am Kesselbrink ging auch Laufkundschaft verloren. Eine ehemals wichtige Fußverbindung Richtung City ist an den Rand gerutscht.

Artikel vom 30.12.2005