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Volksmund-Weisheit

»Die Zukunft hat viele Namen. Für Zögernde ist sie das Unerreichbare, für Furchtsame das Unbekannte, für Mutige aber die große Chance.«

Leitartikel
Zeiten-Schwelle 2005/2006

Nichts los, aber der Laden brummt


Von Rolf Dressler
Mit dem Phänomen Zeit hat es seine ganz eigene Bewandtnis. Und das nicht erst, seit die Erde sich dreht im unermesslich wunderbaren Universum. Uns Men- schenkinder beschäftigt, beflügelt oder beunruhigt naturgemäß vor allem die Zeit, in der zu leben uns vergönnt ist.
Davon zeugen in bunter Abfolge und ganz unmittelbar auch schon schwarz auf weiß gedruckte Schlagzeilen in der Tageszeitung:
- »Wenn die Küchenuhr nicht mehr tickt, hilft es nicht, sie ans Ohr zu halten.«
- »Warum der eigene Körper ungewollt zum Wecker wird«. Soll heißen: Jeder dritte Deutsche wird laut Umfragen schon eine Stunde vor dem Klingeln wach.
- »NRW-Familienminister Armin Laschet fordert Arbeiten bis über 70«. Mit dieser Radikalkur, meint der CDU-Politiker, könne die große Renten-Krise gebannt werden.
Ungezählte andere wiederum, Menschen wie du und ich, treibt bewusst oder unbewusst der Wunsch um, so etwas wie die Er- fahrung der Dauer zu machen. Was eine verflixt zähe Sache sein kann. Denn wenn Müdigkeit und Trägheit des Augenblicks uns umfangen, können wir erleben, dass auch schlichte Langeweile durchaus zu den elementaren Gemütsverfassungen gehört.
Es handelt sich also nicht etwa um eine bedrohliche Krankheit, sondern kann sehr beruhigend wirken und der eigenen Tatkraft gehörig aufhelfen. Dies allerdings wird den meisten kaum oder gar nicht mehr bewusst in einer wild lärmenden modernen Umwelt, deren gigantische Medien- und Musik-Industrie selbst für die kleinste Mini-Atempause blitzesschnell schon den nächsten Langeweile-Stopper bereithält. Auf dass der Homo sapiens nur ja nicht sinnlos in einem »Meer von Zeit« versinke - frei nach der hübschen Devise des von Fernseh-Talkshow zu Talkshow eilenden Politikforschers Jürgen W. Falter:
»Es ist nichts los, aber der Laden brummt.«
Ein solches Umfeld lässt natürlich auch einen Gerhard Schröder, unser aller Ex-Kanzler, nicht ruhen und rasten. Offenbar schon im Vorgriff auf reichlich Honorar-Fließgeld gibt er kräftig Gas, büffelt Englisch in Privatunterricht. Und auf wieder andere Weise umsichtig beugt der unvergleichliche Unterhaltungskünstler Harald Schmidt möglichen künftigen Energie-Engpässen im eigenen trauten Heim nicht nur beim Gas vor: Sicherheitshalber habe er schon mal »die Fußbodenheizung in seiner Garage abgeschaltet«, tat er seiner Mitwelt noch im alten Jahr kund.
Einfach genial, so entschieden zu Werke zu gehen, anstatt die Zeit, die uns gegeben, nutzlos zu verplempern. Wie zum Beispiel Peter Danckert, der Vorsitzende des Bundestagssportausschus- ses mit der umwerfenden 2005er Erkenntnis, Doping im Sport sei »eine Form von Betrug«. Ach!
In diesem Sinne uns allen ein sinnerfülltes neues Jahr an der Zeiten-Schwelle 2005/2006!

Artikel vom 31.12.2005