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»Damit sich der Po an den Sattel gewöhnt«

Manfred Werner Kohlstadt trainiert für große Tour

Von Ulrich Hohenhoff
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). Er wird pünktlich zum 70. Geburtstag seines Schwagers Edgar Walter in Brackwede erwartet, auch wenn Manfred Werner Kohlstadt von weither anreist. Der inzwischen pensionierte ehemalige Regionalpräsident für Spanien und Portugal der »degussa« kommt aus Barcelona angereist. Von der Entfernung her nichts Ungewöhnliches, wenn der 59-Jährige sich für die weite Strecke nicht ein außergewöhnliches Transportmittel gewählt hätte: Er will sich mit dem Fahrrad auf den Weg machen.

Als »Radsportverrückte« nutzten Edgar Walter und sein über die Weihnachtsfeiertage per Auto angereister Schwager die Gelegenheit, das Dortmunder Steherrennen zu besuchen und Pläne für die geplante große Geburtstags-Tour im Sommer dieses Jahres zu schmieden. Zwar liegt der Ehrentag seines Schwagers noch in weiter Ferne, doch Manfred Werner Kohlstadt beginnt schon jetzt mit dem Training für die anstrengende, annähernd 1800 Kilometer lange Strecke.
Drei Deutsche, die ebenfalls in Barcelona wohnen und der dortigen Radsportgruppe angehören, wollen den passionierten Radler begleiten. »Und aus Sicherheitsgründen haben wir auch ein Fahrzeug dabei, für alle Fälle. . . «, sagt der ehrgeizige »Pedalritter«. Nicht zuletzt auch deshalb, weil auf der letzten Etappe die Touren-Fahrräder gewechselt werden sollen. »Wir wollen standesgemäß mit Rennrädern ins ÝZielÜ einfahren und die führt das Begleitfahrzeug mit.«
Luftlinie misst die Strecke von Barcelona nach Brackwede etwa 1200 Kilometer. »Aber wir fahren ja nicht Autobahn, haben bewusst einige hundert Kilometer mehr einkalkuliert, weil wir schöne und romantische Ecken wie etwa das Altmühltal mitnehmen wollen.« Und so soll die Tour von Barcelona über Perpignon, Narbonne und Montpellier - Teile dieser Strecke werden alljährlich auch von den Tour de France-Radlern befahren - über Orange, Valence, das Rhonetal hinauf bis Lyon und dann weiter über den Wallfahrtsort Taizé, Besançon und Mühlhausen führen. In Deutschland geht es dann weiter Richtung Freiburg, ein Stück entlang des Rheintals über Karlsruhe, Frankfurt, Gießen, Marburg, Brilon und Paderborn bis nach Brackwede.
Rad fahren spielt im Leben von Manfred Werner Kohlstadt, der seit 22 Jahren in Barcelona wohnt, seit der Kindheit eine bedeutende Rolle. Seit seinem siebten Lebensjahr radelt der gebürtige Augsburger, der im Ruhrgebiet aufwuchs. Als Jugendlicher entdeckte er den »professionellen« Teil des Radsports, gewann zwei Mal ein Anfängerrennen mit Tourenrädern, strampelte auch schon mal von Essen nach Bielefeld, nahm am Rennen um den Alcina-Preis teil.
»Die Leidenschaft und die Liebe zum Radsport habe ich nie verloren. Wann immer ich konnte, bin ich gefahren. Egal ob in Deutschland, Österreich oder der Schweiz«, schmunzelt der 59-Jährige, den sein beruflicher Werdegang über Berlin, Venezuela und Caracas bis nach Barcelona führte. Und auch Ehefrau Regina, begeisterte Wanderfahrerin, lernte er über das Radfahren an der Sportschule in Duisburg-Wedau kennen. Schwager Edgar Walter und dessen Frau Monika können ebenfalls nicht widerstehen, wenn sie ein Rad sehen.
Walter, ehemals Jugendwart beim Radsportverein »Rechter Niederrhein« und mehr als zehn Jahre aktiv im Radrennsport, unter anderem auch beim Brackweder »RV Teutoburg«, unterstützt das gewagte Rad-Abenteuer von Manfred Werner Kohlstadt, gibt sachkundig Tipps. »Der bereitet sich gut vor, deshalb wird ganz sicher auch alles klappen.« Der Brackweder überlegt noch, ob er einen Teil der Strecke als Fahrer des Begleitfahrzeugs mitfahren will. Der Fahrer oder die Fahrerin des Autos soll zugleich Quartiermeister sein. »Wir haben bewusst keine starren Etappenziele festgelegt, schließlich wollen wir ja vielleicht mehrere Tage an einem besonders schönen Ort zubringen können oder kulturelle Ereignisse erleben«, sagt Manfred Werner Kohlstadt.
Dennoch bereitet der 59-Jährige die Tour von Spanien nach Brackwede akribisch vor. Internet und Straßenkarten helfen bei der Routenplanung. Trainiert wird jetzt schon jeden Tag. »Nicht unter 40 Kilometer, rund 600 habe ich schon zurückgelegt.« Und in der Endphase des Trainings sollen noch mehrtägige Touren absolviert werden. »Damit der Po sich an den Sattel gewöhnt«, scherzt Manfred Werner Kohlstadt.
Klar, dass auch die Logistik stimmen muss. »Wir haben nur Wasserflaschen dabei, das Gepäck wird mit dem Auto, pro Kopf zehn bis 15 Kilogramm, befördert«. Vier bis fünf Wochen mit jeweils 60 bis 80 Tageskilometern haben der Radsportfan und seine Mitradler kalkuliert. »Schließlich fahren wir ja keinen Wettbewerb.« Für den »Wahl-Spanier« geht mit dem Trip ein seit Jahren gehegter Traum in Erfüllung. »Ich wollte immer schon mal eine große Tour machen.« Eines hat sich das Quartett aus dem meist sonnigen Süden fest vorgenommen: »Geradelt wird bei jeder Witterung, Regen hält uns nicht ab.« Und wenn am 19. September 2006 für Edgar Walter die Geburtstagsglocken läuten, geht an diesem Tag für Manfred Werner Kohlstadt und seine radelnden Mitstreiter eine anstrengende, schweißtreibende und ganz sicher auch sehr erlebnisreiche Tour zu Ende.

Artikel vom 02.01.2006