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Verdienstkreuz
für 25 Jahre
soziale Arbeit

Gisela Niedergassel in Bonn geehrt

Holtkamp (ptr). »Die haben alle dicht gehalten«, sagt Gisela Niedergassel und schaut fast ein wenig vorwurfsvoll. Vorteil der Geheimniskrämerei: Die Überraschung für die 63-Jährige war umso größer, als sie im September plötzlich Post aus dem Bundespräsidialamt in ihrem Briefkasten fand. Darin eine Einladung nach Bonn in die Villa Hammerschmidt - zur Verleihung des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland am 2. Dezember durch Bundespräsident Horst Köhler.

Zu verdanken hat Niedergassel diese hohe Ehrung »ihren« Landfrauen. Deren Kreisvorsitzende Helene Bühlmeier und Karolin Mensing machten vor zwei Jahren den Anfang und schlugen die Holtkämperin, die von 1978 bis 2002 Ortsvorsitzende der Landfrauen in Isselhorst war, für den Verdienstorden vor. Es folgten zahlreiche Eingaben bei verschiedenen behördlichen Instanzen, darunter Bielefelds Oberbürgermeister Eberhard David, gepaart mit intensiven Recherchen »über alles was ich im Laufe der Zeit gemacht habe«, ehe der Antrag letztlich auf Köhlers Schreibtisch landete.
Wem er das Bundestverdienstkreuz letztlich verleiht, entscheidet der Bundespräsident dabei höchstselbst. Nur zwei Mal im Jahr, genau am Tag der deutschen Einheit und am Tag des Ehrenamtes, nimmt das deutsche Staatsoberhaupt die Ehrungen dabei persönlich vor. Alle anderen Bundesverdienstkreuz-Träger erhalten den Orden in Kreis- oder Rathäusern, meist aus der Hand des amtierenden Bürgermeisters.
»Zunächst war ich ein wenig beschämt«, erzählt Niedergassel, die sich auch heute noch »überbewertet« fühlt. »Aber dann habe ich mir gedacht, es muss doch irgendetwas dran sein, schließlich habe ich mich ja nicht selbst vorgeschlagen.« Entgegen genommen hat die Mutter von vier Kindern die Auszeichnung »für alle meine Landfrauen«, deren beste Grüße sie Bundespräsident Köhler als dessen Tischnachbarin beim adventlichen Kaffetrinken im Anschluss an die Verleihung auch noch überbringen konnte.
»Die Räumlichkeiten der Villa Hammerschmidt waren zu klein, um alle 22 Geehrten plus Begleitperson an einen Tisch zu bekommen«, erzählt Niedergassel. Die Gesellschaft sei daraufhin geteilt worden. Eine Hälfte wurde von Eva Köhler, der Frau des Bundespräsidenten betreut, um die andere Hälfte kümmerte sich das Staatsoberhaupt persönlich. »Auf dem Weg zum Tisch hat er mich dann am Arm gepackt und mir zugeflüstert, dass er eine Frau an seiner Seite braucht.« Insgesamt habe sie Köhler als humorvollen, sehr bescheidenen Menschen kennengelernt.
»Wenn ich eines gut kann, dann ist es Leute zu motivieren«, urteilt Niedergassel. In ihrer Zeit als Vorsitzende der Isselhorster Landfrauen wuchs deren Mitgliederzahl »von 100 auf 300« an. Ob gemeinsame Bildungsfahrten kreuz und quer durch Europa, Vortragsreihen oder Mal- und Sportgruppen, die heute 63-Jährige hat in den vergangenen Jahren viel bewegt. Besonders stolz ist sie darauf, dass mittlerweile auch 35 junge Landfrauen im Isselhorster Ortsverband vertreten sind. »Jeder andere Verein hat Nachwuchssorgen, wir nicht.«
Entscheidend für die Auszeichnung sind jedoch ihr sozialen Engagements im In- und Ausland, die alle mit den Erlösen des Bastel- und Handarbeitsbasars bestückt werden. Seit 1981 geht ein Teil der Gelder an die Kinderkrippe Kilianur in Südindien. Seit 1988 unterstützen die Landfrauen Schwester Katharina Frerich, gebürtig aus Herzebrock, die in einem Krankenhaus in Bolivien arbeitet. Heimische Projekte wie die MS-Gruppe in Gütersloh oder der Kinderschutzbund, werden ebenfalls nicht vergessen.
Einen besonderen Stellenwert genießt seit 1984 das Ausbildungsprojekt »Youth and Farmers Training Center« in Nkwenda, Tansania. Niedergassel beteiligte sich damals an einer Fahrt der Landfrauen Ostwestfalens in das afrikanische Land. »Vier Wochen lang haben wir mit den Frauen des Dorfes in deren Hütten gelebt und gearbeitet. Danach war uns klar, dass wir nicht so weiterleben können wie bisher.« Mit Hilfe von Spendengeldern wurden mittlerweile eine Nähschule und eine Tischlerei errichtet, die bereits mehr als 70 afrikanischen Jugendlichen die Möglichkeit einer Ausbildung eröffnet haben.
»Ich glaube, mein Mann ist sehr stolz auf mich«, sagt Niedergassel und wirkt dennoch etwas wehmütig. »Schade, dass meine Mutter, die mir stets den Rücken freihielt, das nicht mehr erlebt hat.« Ob sie ihr Bundesverdienstkreuz auch tragen wird, weiß sie noch nicht. Der Bundespräsident hat sie jedenfalls ermuntert, es so oft wie möglich zu tun. »Der Orden ist nichts für die Schublade«.

Artikel vom 28.12.2005