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Höxter

Gasexplosion reißt drei
Menschen in den Tod

Am Morgen nach der Bundestagswahl zerreißt um 9.16 Uhr eine Explosion die um diese Zeit noch herrschende Ruhe in der Höxteraner Innenstadt. Menschen schreien, weinen, laufen in Panik umher. Günther Hartmann (64) hat sich mit dem Haus in die Luft gejagt, das ihm zusammen mit seinem Bruder gehörte. Eine Tragödie, die noch lange nachwirken wird.


Mit in den Tod reißt er eine Rentnerin (81) und einen Rentner (79), die zufällig an dem Haus vorbeigehen und von der Druckwelle getötet werden. Mehr als 50 Menschen werden verletzt.
Alleiniger Schuldiger sei sein Bruder Wilfried, schreibt Günther Hartmann in einem Bekennerbrief, der einen Tag später beim WESTFALEN-BLATT eingeht. Als Grund für die Tat gibt der 64-Jährige »die Vielzahl von Prozessen vor dem Amtsgericht Höxter, dem Landgericht Paderborn und dem Oberlandesgericht Hamm« an. »Dies ist die Bestrafung im Namen der Gerechtigkeit für das Unrecht, das ich in den letzten Jahren erlitten habe«, so enden die Zeilen in dem letzten Brief des Mannes, der nicht nur das Gesicht der Stadt verändert hat.
900 Liter Benzin und ein aufgedrehter Gasanschluss -Ê beides zündet Günther Hartmann, um sein Wohnhaus komplett zu zerstören. Zahlreiche Wohn- und Geschäftshäuser und auch das historische Rathaus direkt gegenüber dem Explosionsort sind stark in Mitleidenschaft gezogen.
Inzwischen steht fest: In Geldwerten beziffert beläuft sich der gesamte Schaden an Gebäuden, Einrichtungen, Waren, Autos und Wertgegenständen nach Schätzungen der Stadt auf mehr als sieben Millionen Euro.
Dass auch Schäden entstanden sind, die sich nicht näher beziffern lassen, wird in einem Dank- und Bittgottesdienst wenige Tage nach dem Unglück deutlich. »Von einem Augenblick auf den anderen ist nichts mehr so, wie es vorher war«, sagte der Höxteraner Pfarrer Dieter Maletz in seiner Predigt. Es werde das Bewusstsein wach, dass der plötzliche Tod, das Unglück nicht immer in der Ferne stattfinde, nicht in New York, London oder Bagdad, sondern auch in Höxter.
Zahlreiche Einsatzkräfte sind unmittelbar nach der Explosion und an den Tagen danach am Ort, löschen die Flammen, beseitigen die Trümmer, stützen Wände von Häusern ab, die einzustürzen drohen. Die Ehrenamtlichen unter ihnen werden im Dezember vom Rat der Stadt Höxter geehrt. Der Ehrenamtspreis, den Höxter in jedem Jahr vergibt, geht an alle freiwilligen Hilfsorganisationen, die bei dem Explosionsunglück zur Stelle waren.
Gerüste prägen in den Wochen nach der Katastrophe das Bild der Häuser rund um die Unglücksstelle, denn: Die Druckwelle hat Dächer zum Teil abgedeckt und Fensterscheiben zerbersten lassen. Die Versicherungen haben alle Hände voll zu tun und sind um schnelle Hilfe bemüht. Aber: Nach Schätzungen der Stadt sind zehn Prozent der Schäden nicht durch Versicherungen abgedeckt. So dauert die fassungslose Starre nach der Explosion nicht lange, und eine Welle der Hilfsbereitschaft macht sich breit.
Werbegemeinschaft und Stadt richten Spendenkonten ein. Bei großen und kleinen Aktionen wird Geld für die Opfer der Explosion gesammelt. Das in Höxter stationierte ABC-Abwehrbataillon 7 der Bundeswehr, das schon am Unglückstag spontan Hilfe leistet, organisiert ein Benefizkonzert.
15 000 Euro kommen schließlich auf den Spendenkonten von Stadt und Werbegemeinschaft zusammen. Das Geld ist vor wenigen Tagen verteilt worden. Alle Verletzten sind aus den Krankenhäusern entlassen, wenigsten die äußeren Wunden weitgehend verheilt.


Ein Beitrag von
Frank Spiegel

Artikel vom 31.12.2005