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Karstadt

Konzern-Dampfer nimmt wieder Fahrt auf

Karstadt-Quelle hat nach der drohenden Pleite im Herbst 2004 das Ruder in diesem Jahr herumgerissen und den Sanierungskurs erfolgreich fortgesetzt. Der Konzern-Dampfer nimmt allmählich Fahrt auf. Allerdings zu einem hohen Preis: Karstadt verkaufte 74 seiner 181 Warenhäuser.


Für Tausende Mitarbeiter des Warenhauskonzerns war das Jahr 2005 auch ein Zitterjahr. Viele Beschäftigte bangten um ihre Arbeitsplätze. Vor allem in den zum Verkauf stehenden kleineren Häusern - darunter in der Region die Warenhäuser in Lemgo. Detmold, Minden und Höxter - war die Ungewissheit groß. Tenor: Was machen »die da oben« mit uns?
Im Mai rückte ein Bielefelder an die Spitze des Konzerns: Thomas Middelhoff, früher Vorstandsvorsitzender des Gütersloher Medienriesen Bertelsmann, und zu diesem Zeitpunkt bereits Aufsichtsratschef bei Karstadt-Quelle, trat an die Stelle des glücklosen Christoph Achenbach.
Fast gleichzeitig sicherte sich die Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz die Aktienmehrheit an Karstadt-Quelle, zu dem auch der notleidende Versandhandel (Quelle, Neckermann) sowie eine 50-Prozent-Beteiligung am Reiseveranstalter Thomas Cook gehören. »Das ist ein Beweis ihres Vertrauens in das Unternehmen, in seine Mitarbeiter, in das Management und darin, dass Karstadt-Quelle wieder eine gute Zukunft hat«, sagte Middelhoff. Befürchtungen, der Konzern könnte im Sog der Finanzkrise sogar zerschlagen werden, trat er mit dem Satz »Das macht schlicht keinen Sinn« entgegen.
Klare Worte folgten bei der Hauptversammlung. Middelhoff bezeichnete die Krise als hausgemacht. Man habe das Kerngeschäft aus den Augen verloren, operativ die Geschäfte nicht gut geführt und für keine ausreichende Finanzierung gesorgt. Bei den einzelnen Konzernteilen sei die Fusion nicht erfolgt und Synergien nicht erbracht worden. »Man lebt für sich, zwischen Essen und Fürth lagen und liegen noch immer Welten«, bemängelte der Manager. Den Unmut der Aktionäre konnte er damit nicht beschwichtigen. Das Vertrauen sei »vollkommen zu Grunde gerichtet worden«, befand ein Sprecher der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger.
Anfang August kommt die Nachricht, auf die viele Mitarbeiter mit Unbehagen gewartet haben: Karstadt-Quelle hat 74 kleinere Warenhäuser und und seine restlichen Fachgeschäfte SinnLeffers (darunter Bielefeld) und Runners Point an verschiedene Finanzinvestoren verkauft und sich damit im Überlebenskampf Luft verschafft. Auf einen Schlag verlassen damit 11000 Mitarbeiter den Essener Konzern.
Erwerber der 74 Warenhäuser ist ein britisches Konsortium aus Dawnay, Day Principal Investments und Hilco. Die SinnLeffers-Modehäuser gehen an eine Investorengruppe aus Deutsche Industrie-Holding, HMD Partners sowie dem Immobilieninvestor Curzon Global Partners/Ixis AEW Europe. Runners Point wird an die Beteiligungsgesellschaft Hannover Finanz verkauft.
Middelhoff hat ein Etappenziel erreicht: Wie geplant, flössen dank der erfolgten Verkäufe insgesamt 1,1 Milliarden Euro in die Kasse. Jetzt könne sich der Essener Handelskonzern wieder voll auf sein eigentliches Kerngeschäft konzentrieren, meinte der Manager.
Der neue Eigentümer der gut 70 Karstadthäuser mit seinen 4900 Beschäftigten will offenbar keine »Heuschrecke« sein. »Wir werden auf keinen Fall die Geschäfte abreißen und etwas anderes mit den Grundstücken machen«, sagte Guy Naggar, Aufsichtsratschef der Investorengruppe Dawnay Day. Ziel sei allerdings, die Erträge zu maximieren. Die Lagen in den kleineren Städten nannte Naggar »erstklassig.« Für eine Übergangszeit dürfen die Warenhäuser den Namen City-Karstadt führen.
Unterdessen blickt Konzernchef Middelhoff zuversichtlich in die Zukunft und kündigte ein deutliches Umsatzwachstum an. Einschließlich der 50-Prozent-Beteiligung an dem gemeinsam mit der Lufthansa gehaltenen Touristikkonzern Thomas Cook gehe Karstadt-Quelle für 2006 von einem Konzernumsatz zwischen 17 und 18 Milliarden Euro aus. Für 2005 rechne er mit zwölf Milliarden Euro Umsatz. Schwierig bleibe das Geschäft mit Quelle und Neckermann. Bei beiden Marken sei im Inland auch im kommenden Jahr mit weiteren Rückgängen zu rechnen.
Mit dem Weihnachtsgeschäft 2005 ist Karstadt-Quelle zufrieden. Die verbliebenen 90 Warenhäuser und 32 Sporthäuser hätten einen höheren Umsatz als im Vorjahr verbucht. »Das Geschäft lief gut«, sagte ein Sprecher. »Wie liegen über Plan.«

Ein Beitrag von
Edgar Fels

Artikel vom 31.12.2005