29.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

»Ein paar Tränen kostet
der Abschied schon«

Sentimentale Augenblicke beim Abriss der alten Post

Von Markus Poch
(Text und Fotos)
Brackwede (WB). »16 Jahre lang habe ich hier gearbeitet. Da ist es nicht leicht zu sehen, wie die Mauern fallen«, sagt Postbeamter Olaf Stockhecke (35). Trotzdem kommen er und sein Kollege Olaf Bewer (36) alle zwei Tage zur Abrissstelle am Stadtring, starren in den Schutt und fotografieren den Fortschritt der Demontage.

Der Ummelner Stockhecke und der Gadderbaumer Bewer, die heute gemeinsam den neuen Zustellstützpunkt an der Hauptstraße/Ecke Gütersloher Straße leiten, waren auch im alten Postamt während der letzten Monate die Chefs über 75 Mitarbeiter. »Wir konnten uns zwar lange genug damit abfinden, dass dieses Haus abgerissen wird, aber ein paar Tränen kostet der Abschied schon«, ergänzt Olaf Stockhecke. »Es steckte irgendwie eine Menge Herzblut drin. Erst im Jahr 2000 haben ein Kollege und ich dort noch einen großen Partykeller eingebaut. Zu zweit haben wir dafür mehr als 1000 Stunden Arbeit investiert. Aber auch sonst ist es schade um das Gebäude, denn die gesamte Bausubstanz war noch einwandfrei.«
Baggerführer Guido Kleinebeckel von der Abrissfirma Brinkmann kann auf solche Sentimentalitäten keine große Rücksicht nehmen. Er hat einen »vernichtenden Auftrag« und steht unter Zeitdruck. Balken bersten, Scheiben zerspringen. »Jetzt fährt der Bagger gerade mitten durch mein altes Büro«, stellt Stockhecke gerührt fest.
Ein paar Schritte weiter, schon halb begraben unter dem Staub der einstürzenden Wände, liegt der alte Geldschrank des Hauses, »die letzte Bastion«. Hier lagerten Briefmarken und Bargeld. Ihn zu bewegen, macht sogar Kleinebeckels 32-Tonnen-Maschine große Probleme. Aber mit Gewalt bekommt er den Tresor an die Seite geschoben. Es soll neue Interessenten dafür geben.
In den nächsten Tagen wird sich der Bagger weiter in Richtung der Schalterhalle an der Germanenstraße vorarbeiten. Parallel dazu müssen die unter dem Gebäude befindlichen Bunker geöffnet und verfüllt werden (das WESTFALEN-BLATT berichtete).

Artikel vom 29.12.2005