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Die »chilenische Nachtigall« 1951 mit Vico Torriani in Frankfurt

Der »Rote Mohn« bleibt unvergessen

Bielefelder Hans Jörg Koch schrieb Biografie über Rosita Serrano

Von Uta Jostwerner
Bielefeld (WB). »Sie hatte etwas gegen Proben und gegen Arbeit. Ihr flog alles von allein zu, sie spielte auf ihren Stimmbändern wie ein Zigeuner auf der Geige«, schreibt der Komponist Peter Kreuder (»Ich brauche keine Millionen«, »Good bye Jonny«) in seinen Lebenserinnerungen über Rosita Serrano. Eigenwillig muss sie gewesen sein, mit einem Hang zur Kleptomanie, zum ausufernden Lebensstil und zur Extravaganz.

Serrano, 1914 als Maria Martha Esther Aldunate del Campo in Chile geboren und Tochter der berühmten Sopranistin Sofia del Campo, war in den 30er und 40er Jahren in Deutschland einem breiten Rundfunkpublikum bekannt und ein gefeierter Schlagerstar. Die »Chilenische Nachtigall«, wie sie auch genannt wurde weil sie nicht nur sang, sondern auch pfiff, kam 1937 nach Berlin, wo sie sich mit ihrer direkten, zielstrebigen Art einen Auftritt im Wintergarten, einem damals angesagten Varieté verschaffte und mit unvergessenen Liedern wie »Roter Mohn«, »Der Onkel Jonathan«, »Wenn der Toni mit der Vroni« oder »La Paloma« eine steile Karriere begann.
Der Bielefelder Historiker und Gymnasiallehrer Dr. Hans Jörg Koch (37) hat jetzt in einem sympathisch angelegten Lebensbild, das gleichwohl die Schwächen weder verschweigt noch verschönt, die erste Biografie über Rosita Serrano veröffentlicht. Als Quellenbasis dienten ihm amtliche Akten und Dokumentationen aus nationalsozialistischer Zeit, zeitgenössische Tageszeitungen und Zeitschriften, Bild-, Schall- und Filmaufnahmen sowie Liedtexte. Ergänzt wurden diese Materialien durch Briefe, Tagebuchaufzeichnungen aus dem Nachlass der Sängerin, dem ihm Baron Erhart von Schenck, ein Freund der Serrano, zur Bearbeitung hinterließ. Bei Baron von Schenck hatte Hans Jörg Koch Rosita Serrano 1987 persönlich kennengelernt und sie noch einige Male getroffen, ehe sie sich 1991 für immer aus Deutschland verabschiedete und 1997 in ihrer chilenischen Heimat 82-jährig starb.
»Im Vordergrund dieser weltweit einzigen Biografie über die Sängerin steht das künstlerische Leben der Serrano, doch kommt an vielen Stellen der Mensch Rosita zum Vorschein und oft genug wird deutlich, dass ähnlich der Stars von heute, hinter einer hart erarbeiteten glanzvollen Fassade Schmerz, Trauer und Einsamkeit steckten«, schreibt der Autor im Vorwort zu dem lesenswerten Lebensporträt einer Sängerin, die in ihren Liedern weiterlebt. Denn ihr wichtigstes Lied »Roter Mohn« will, wie Koch nachweist, nicht verstummen. Es erklingt in historischen Filmen wie »Das Boot« oder »Aimée und Jaguar« oder klingt nach in dem Kempowski-Roman »Heile Welt«, der in den 60er Jahren spielt.
Rosita Serrano ging 1943 nach Schweden und kehrte erst 1951 nach Deutschland zurück. An ihre fulminante Karriere konnte sie jedoch nicht mehr anknüpfen.
- Hans Jörg Koch: Roter Mohn, Das Leben der »Chilenischen Nachtigall«, ist im Karin Kramer Verlag Berlin erschienen und kostet 16,80 Euro.

Artikel vom 28.12.2005