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Mehr Achtung gegenüber
der Leistung dieser Sängerin


Zu der Konzertkritik über das Gastspiel der Sängerin Melanie C im Ringlokschuppen schreibt ein Leser:
Zunächst finde ich es erfreulich, dass dem Konzert von Melanie C im Ringlokschuppen Bielefeld ein so auffälliger Artikel gewidmet wurde, noch dazu mit einer wirklich schönen Überschrift (»Der Engel aus Liverpool«). Schade finde ich allerdings, dass der Inhalt nur wenig und darüber hinaus sehr fragwürdige Informationen über den Verlauf des Konzerts liefert.
Stattdessen werden das Können und die künstlerische Leistung von Melanie C mit einer ganzen Reihe von Halbwahrheiten und Stammtischgerüchten abgewertet, deren Herkunft irgendwo zwischen »Yellow Press« und pauschalem Schubladendenken liegen mag.
In der Tat ist Melanie mit ihrem Hit »First Day of my Life« auch in den Charts wieder oben angelangt. Das geschah aber nicht nur, weil sie ein Lied vom ehemaligen Songschreiber von Robbie Williams »trällern« durfte - daran haben sich auch schon andere versucht. Der Song wäre wohl kaum so erfolgreich, würde Melanie C ihn nicht so herausragend emotional und mitreißend präsentieren. Das wird auch Guy Chambers erwartet haben, als er sich zur Zusammenarbeit mit Melanie C entschied. Wie wäre es mal mit einer Würdigung dieser gesanglichen Leistung von Melanie C? Oder wird der Erfolg von Robbie Williams auch darauf zurückgeführt, dass er Lieder von Guy Chambers singen durfte?
Weiterhin würde mich auch interessieren, weshalb Melanie C vor dem »finanziellen Ruin« oder »kommerziellen Waterloo« gestanden haben soll? Auch vor der Veröffentlichung von »First Day of my Life« konnte Melanie mit »Next Best Superstar« einen Hit landen. Die Veröffentlichung von »Beautiful Intentions« stieß bereits ohne diesen Titel auf ein sehr positives Echo. Es mag schon richtig sein, dass Melanie C nicht solche Fanmassen wie Robbie Williams in Bewegung setzt - jedoch verfügt sie seit vielen Jahren über eine beachtliche Zahl sehr treuer Anhänger, zu denen auch ich mich zähle und von denen sie garantiert niemals »abserviert« wird.
Die Aussage, dass »Gefühl und Leidenschaft« nicht so recht aufs Publikum überspringen wollten, passt nicht im Geringsten zu den Eindrücken von mir und vielen anderen Konzertbesuchern, will ich aber als persönliche Meinung des Rezensenten stehen lassen. Dass das »Auftauen« des Publikums dann aber ausgerechnet bei »obligatorischen Hits« wie »Better alone« stattgefunden haben soll, finde ich erstaunlich. Zum einen ist »Better alone« ein eher melancholisches Stück zum Zuhören, zum anderen wird es erst im Jahr 2006 als Single erscheinen und hoffentlich dann auch zum Hit werden.
Irgendwie entsteht bei mir der Eindruck, als wenn die Welt des Kritikers eher die der »alten Hasen«, »Veteranen« und »Indie-Götter« ist - aber wie wäre es mal mit ein bisschen mehr Achtung vor der Gesamtleistung einer jungen Künstlerin, besonders vor dem beschriebenen »Druck der Wegwerfgesellschaft«?

INGO KOHLSTETTEBielefeld

Artikel vom 29.12.2005