29.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Soldaten gequält:
Anklage bröckelt

Nur neun Ausbilder vor Gericht

Münster (dpa). Im Verfahren gegen 18 Ausbilder der Bundeswehr wegen der Misshandlung von Rekruten in Coesfeld ist die Anklage zum Teil zusammengebrochen.

Das Landgericht Münster habe die Anklage der Staatsanwaltschaft Münster für die Hälfte der Angeschuldigten nicht zugelassen, teilte das Gericht gestern mit. Bei acht weiteren Soldaten ließ das Gericht die Anklage nur wegen einzelner Vorwürfe zu. Nur bei einem Angeschuldigten wurde sie in vollem Umfang akzeptiert.
Die Ausbilder sollen Rekruten in gestellten Geiselnahmen unter anderem mit Wasser und Strom misshandelt haben.
Die Staatsanwaltschaft Münster hatte die Anklage wegen Misshandlung Untergebener und weiterer Straftaten am 1. Juni dieses Jahres erhoben. Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts konnte in ihrem 52-seitigen Beschluss jedoch nur in einzelnen Fällen einen hinreichenden Tatverdacht feststellen, der die Eröffnung eines Hauptverfahrens rechtfertigt. Die Übungen selbst bewertete das Gericht als nicht strafbar. Jedem Beteiligten sei klar gewesen, dass es sich um Simulationen gehandelt habe. Die Übungen konnten durch die Nennung eines Losungswortes jederzeit beendet werden.
Die Staatsanwaltschaft in Münster kündigte Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts an. Die Anklagebehörde werde eine Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm herbeiführen. Das Landgericht sehe in der Behandlung der Rekruten keine strafbare Handlung, obwohl sie nicht mit den Vorschriften der Bundeswehr vereinbar gewesen sei, sagte Oberstaatsanwalt Wolfgang Schweer: »Nach unserer Auffassung ist klar gegen die Menschenwürde der Soldaten verstoßen worden.«
Die Staatsanwaltschaft hatte den Soldaten vorgeworfen, ihre Untergebenen bei simulierten Geiselnahmen gequält zu haben. Dazu seien sie überfallen und gefesselt worden. Ihnen sei Wasser in den Mund und in die Hosen gepumpt worden. Später kamen Schläge, Tritte und Stromstöße mittels Feldfernsprecher dazu. Außerdem seien Soldaten Pistolen an den Kopf gehalten worden, zudem seien sie auch mit glühenden Zigaretten gequält worden, lautete die Anklage.
Die Ansicht des Gerichts, das Nassspritzen von Rekruten oder das erzwungene Halten von Baumstämmen bis zur Erschöpfung sei keine zumindest entwürdigende Behandlung, wird von der Staatsanwaltschaft nicht geteilt.

Artikel vom 29.12.2005