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Sirene heulte um 8.16 Uhr

Jahrestag der Tsunami-Katastrophe - zwei Deutsche untergetaucht

Von Christian Althoff
und unseren Nachrichtendiensten
Banda Aceh (WB). Mit Gebeten, Schweigeminuten und Zeremonien haben gestern am Jahrestag der Tsunami-Katastrophe zehntausende Menschen rund um den Indischen Ozean der mehr als 220 000 Opfer gedacht.
Eine indonesische Studentin trauert.

Mindestens zwei deutsche Südostasien-Urlauber haben die Tsunami-Katastrophe vor einem Jahr genutzt, um ohne Wissen ihrer Angehörigen unterzutauchen und ein neues Leben zu beginnen. Das hat ein Kriminalbeamter dem Bielefelder WESTFALEN-BLATT berichtet, der mehr als zwei Monate in Phuket bei der Identifizierung der Tsunami-Opfer eingesetzt war.
Der Polizist sagte, in beiden Fällen hätten Vermisstenanzeigen von Angehörigen in Deutschland vorgelegen. Ermittler hätten dann mit Hilfe von Aussagen anderer Touristen die Spur der beiden Männer aufgenommen und sie schließlich wohlbehalten auf zwei sehr kleinen Inseln entdeckt. In beiden Fällen seien die Vermissten überrascht gewesen, dass man sie gefunden habe. Sie hätten nicht gewollt, dass ihre Angehörigen den genauen Aufenthaltsort erfahren. »Deshalb haben wir den Familien auch nur mitgeteilt, dass der Angehörige den Tsunami unbeschadet überlebt hat«, sagte der Kriminalbeamte.
Wovon die beiden Deutschen künftig leben werden, konnte der Kriminalbeamte nicht sagen. Von ursprünglich 537 Deutschen gelten im Tsunami-Gebiet noch immer 15 als vermisst.
In der indonesischen Provinz Aceh hielten Trauernde gestern um 8.16 Uhr Ortszeit (2.16 Uhr MEZ) inne, als eine Sirene zu genau dem Zeitpunkt heulte, an dem die Flut vor einem Jahr das Land erreichte. Tausende von Einheimischen und Ausländern kamen in Thailand zusammen, um gemeinsam an die Toten zu erinnern. Auch in Sri Lanka und Indien beteten zahlreiche Menschen für die Opfer der Flut, bei der auch 537 Deutsche starben.
Am schwersten wurde bei der Jahrhundertkatastrophe vom 26. Dezember 2004 der Norden der indonesischen Insel Sumatra getroffen, wo 170 000 Menschen starben. Indonesiens Präsident Susilo Bambang Yudhoyono hob die Entschlossenheit der Überlebenden zum Neuanfang hervor.
UN-Generalsekretär Kofi Annan sagte in einer Videobotschaft, die während der Zeremonie in Banda Aceh gezeigt wurde, die Katastrophe sei »so brutal, so schnell und so umfassend gewesen, dass es uns immer noch schwer fällt, sie ganz zu begreifen«.
Zu den Feierlichkeiten in Thailand waren zahlreiche Angehörige von ausländischen Touristen - darunter auch viele Deutsche - angereist, die von den Flutwellen getötet worden waren.
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Artikel vom 27.12.2005