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Marie von
Ebner-Eschenbach

»Größe zeigt, wer von anderen
weniger fordert
als von sich selbst.«

Leitartikel
Erfolgreiches Spendenjahr

Größe nicht nach Cent und Euro


Von Rolf Dressler
Ein Jahr also ist vergangen, seit wie aus dem friedlichen Nichts der apokalyptisch anmutende Tsunami im südöstlichen Asien Hunderttausende in den Tod riss, Millionen um all ihr Hab und Gut brachte und Verheerungen ungekannten Ausmaßes anrichtete. Die Bilder werden noch über Generationen weitergetragen werden und deshalb in der Erinnerung gegenwärtig bleiben.
Auch Deutschland und die benachbarten Europäer hatten am hiesigen gestrigen zweiten Weihnachtsfeiertag gleich mehrerlei Anlass für ein stilles Gedenken. Vor allem deswegen, weil unter den Opfern der gigantischen Flutwelle in größerer Zahl auch eigene Landsleute, überwiegend Touristen, waren. Die Naturkatastrophe ist gerade auch den Deutschen so nahe gegangen, dass sie ihre Herzen weit öffneten und eine geradezu überwältigende Spendenbereitschaft wie kaum je zuvor an den Tag legten.
Insbesondere dank dieser Gelder konnte die Hilfe für die Fest- lands- und Inselregionen, die am schwersten von dem Tsunami heimgesucht worden waren, ungewöhnlich rasch anlaufen. Zeitweilig kam es wegen der wahrhaft unübersehbaren Verwüstungen sogar zu regelrechten Verwendungsstaus. Und aufkeimender Unmut darüber konnte hier wie dort nur mit Mühe gedämpft werden.
Aber selbst durch solche Unbill lassen sich namentlich die Deutschen in ihrer offenbar fest verwurzelten Hilfswilligkeit und Gebefreudigkeit nicht dauerhaft beeindrucken. Noch nie zuvor verbuchten die heimischen Wohltätigkeitsorganisationen einen so überragenden Gesamt-Spendeneingang wie im jetzt zu Ende gehenden Kalenderjahr 2005. Das gilt viel in einer Wohlstandsländer-Welt, in der mächtig oft laute Kla- ge geführt wird über Ich-Sucht und Raffke-Gebaren.
Den Nutzen davon haben traditionell jeweils zur Advents- und Weihnachtszeit übrigens auch die Empfänger jener Spenden, zu denen sich die Leser des WESTFALEN-BLATTES und seiner 26 ostwestfälischen Lokalausgaben bereitfinden. In diesem Jahr ist der komplette Reinerlös für die SOS-Kinderdörfer bestimmt. Die Aktion ist in vollem Gange. Sie wird wie gewohnt über den Jahreswechsel fortgeführt - also bis in den Januar 2006. Jede Spende, ob klein, mittel oder groß, ist herzlich willkommen.
Genau diese »Philosophie« bewirkte auch den großartigen Sammelerfolg zugunsten Tsunami-Katastrophengebiete und deren Bewohner. Denn die Völker, Länder und Staaten, die - wie Deutsche, Europäer und Amerikaner - in vergleichsweise traumhaftem materiellen Reichtum, ja, vielfach in Saus und Braus leben, blenden Not und Elend auch in entlegenen Erdenwinkeln eben nicht einfach aus. Im Gegenteil, sie lassen sich ihre Hilfsbereitschaft nicht einmal dadurch vergällen, dass an den Bestimmungsorten mit Spendengeldern leider nicht selten übel Schindluder getrieben wird.
Solche Haltung zeugt von Größe. Ein schönes Zeichen.

Artikel vom 27.12.2005