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Sie ließ es rote Rosen regnen

Hildegard Knef wäre morgen 80 geworden - Mehrere Sender erinnern

Von Rolf-Dieter Bock
ARD, 0.50 Uhr 3sat, 14.00, 1.05 Uhr: Erst ein bisschen »Fedora« (oder auch ganz) im Ersten, und dann geht es ab in die »ZDF-Kultnacht - Hildegard Knef«. Ehre, wem Ehre gebürt: die Schauspielerin, Chansonsängerin und Autorin wäre morgen 80 Jahre alt geworden.

Zur Einstimmung in die filmische Erinnerungstour ist »Hildegard Knef zwischen gestern und heue« beim Kultursender 3sat zu erleben. In der 25-minütigen Dokumentation wandelt die Künstlerin im Berlin des Jahres 1990 auf den Spuren ihrer Vergangenheit und besucht für sie prägende Orte in der Bundeshauptstadt: Das Landhaus in Zossen und die ehemaligen Ufa-, später DEFA-Studios in Babelsberg bei Potsdam.
Sie besucht ihre Schauspiellehrerin Else Bongers und trifft im Schlosspark-Theater ihren Entdecker Boleslaw Barlog. In den »Heiligen Hallen Karajans«, der Philharmonie Berlin, wo sie ihr erstes Konzert als Sängerin gab, erzählt sie vom Start ihrer zweiten Karriere. Dabei zeigt sich die Grande Dame gewohnt intelligent humorvoll und verbindet auf unterhaltsame Weise amüsante Anekdoten und Berichte von den wichtigen Etappen ihres abenteuerlichen Lebens.
Hildegard Knef begann ihre Schauspielausbildung 1943, bereits 1944 hatte sie erste Auftritte in Helmut Käutners Film »Unter den Brücken« und in Erich Engels »Fahrt ins Glück« - beide Filme hatten ihre Premiere erst nach dem Kriegsende. Erst mit »Die Mörder sind unter uns« (3sat, heute, 14.30 Uhr) feiert die Knef ihren internationalen Durchbruch. In der Rolle des entlassenen KZ-Sträflings Susanne sorgte sie für Aufsehen: Mit ihrem flächigen, ungeschminkten Gesicht, ihrer Beweglichkeit und ihrer verzögerten Sprechweise unterschied sie sich von den alten Stars der Ufa. Schnell avancierte sie zur Repräsentantin eines neuen Deutschlands. Der Ruf ging bis in die USA.
Und dann der unvergessene Skandal: Im Spielfilm »Die Sünderin« von Willi Forst (3sat, Donnerstag, 14.05 Uhr) zeigte sie sich in ihrer Rolle als Hure für einen kurzen Augenblick hüllenlos. Durch diesen Auftritt als Aktmodell und die Thematisierung der Tabus Prostitution und Freitod wurde der Film im prüden Nachkriegsdeutschland mit Demonstrationen und Klageverfahren zum Skandal. Zugleich war das Werk ein ungeheurer Kassenerfolg.
Viele Filme folgten, sowohl in den USA als auch in Deutschland, mit den besten Regisseuren und international anerkennten Kollegen.
1963 begann Hildegard Knef mit großem Erfolg eine zweite Karriere als Chansonsängerin, deren rauchiges Timbre »die Knef« unverwechselbar machte. Ihre Schallplatten mit zum Teil eigenen Chansons erzielten Millionenumsätze, und ihre Tourneen waren bis weit in die 80er Jahre hinein ausverkauft.
Ein sensationelles Debüt feierte die Frau, für die es später »rote Rosen regnen« sollte, 1970 auch als Schriftstellerin mit ihrer Biographie »Der geschenkte Gaul«, der eine Milionenauflage erreichte. Weitere Titel folgten. Und immer wieder spielte sie in Filmen mit, die Liste ist lang. Im Herbst 1989 kehrte Knef von Hollywood nach Deutschland und ins Fernsehen zurück. ARD, ZDF, WDR und RTL, die Sender rissen sich um sie.
Die unermüdliche Künstlerin erlag am 1. Februar 2002 im Alter von 76 Jahren in einem Berliner Krankenhaus ihrer schweren Lungenkrankheit. Sie war in erster Ehe mit dem amerikanischen Filmoffizier Kurt Hirsch verheiratet, in zweiter mit dem englischen Schauspieler und Regisseur David Cameron. Im Juni 1977 heiratete sie Paul von Sell, der sie bis an ihr Lebensende begleitete.
Das Filmmuseum Berlin würdigt, wie berichtet, Hildegard Knef noch bis zum 17. April 2006 mit einer Sonderausstellung. Unveröffentlichte Fotos, Show-Kleider, Mode-Entewürfe berühmter Designer, Briefe und weitere Exponate aus dem Nachlass der Künstlerin dokumentieren die Stationen einer Karriere, die eng mit der bundesdeutschen Kulturgeschichte verknüpft war.

Artikel vom 27.12.2005