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Angela Merkel Bundeskanzlerin

Nie war eine politische Achterbahnfahrt
rasanter

»Angela Merkel hat gewisse Chancen«: Ganz unfreiwillig sagte Heide Simonis im Dezember 2004 zwölf Monate voller Überraschungen voraus. Dabei war die SPD-Dame aus dem Norden die erste, die auf der rasanten Achterbahnfahrt des politischen Ausnahmejahres 2005 aus der Kurve flog.


»Deutschlands erste Ministerpräsidentin betrachtet Deutschlands erste Oppositionsführerin« stand über dem Gastbeitrag in »Cicero 12/2004«. Am Ende war nichts mehr, wie es vorher war: Die Frau aus Kiel gestürzt, die SPD in NRW entmachtet, Rot-Grün im Bund am Ende und Gerhard Schröder Berater des Herausgebers jener medialen Neuerscheinung namens »Cicero«, die als erste den Mut hatte, Merkel eine Titelgeschichte zu widmen.
»In zehn Jahren werden wir von einer Frau regiert«, zitiert Simonis in besagtem Artikel sich selbst mit Worten aus dem Jahr 1995.
Soviel Höflichkeit und Fairness war ungewohnt. Schon vergessen? Spinnefeind waren sich beide Volksparteien bis zur Zwangsheirat im Spätherbst 2005.
»Die kann es nicht« ätzte Franz Müntefering, der Noch-Vorsitzende der SPD bis zum Novemberputsch. Und die Gerd-und Joschka-Show kam selten ohne Macho-Spott über die Ostfrau mit dem Girlscamp aus.
Ein Auf ud Ab der Gefühle durchlebten auch die Parteisoldaten an der Basis von CDU und SPD. Letztere durften über den Machtverlust in Kiel am 20. Februar nicht wirklich trauern, mussten das NRW-Desaster vom 20. Mai leidlos auf sich zurasen lassen.
Die Union erreichte 44,8 Prozent, die FDP 6,2. Die SPD sackte auf 37,1 Prozent, die Grünen auf 6,2 Prozent. 39 Jahre war NRW fest in SPD-Hand. Nur 28 Minuten nach Schließung der Wahllokale musste die SPD-Basis auf Bundestagswahlkampf umschalten. Politik paradox. Gerhard Schröder sollten sie gut finden, gerade weil der ein Scheitern seiner Politik zur Begründung vorgezogener Neuwahlen proklamierte.
Am Ende klebte Schröder länger am Amt, als selbst beste Freunde mit ansehen mochten. Er sei ein wenig »krawallig« gewesen, musste Schröder nach dem Wahlabend am 18. September bei Christiansen einräumen. Sein als »Alphatier-Auftritt« verurteiltes Benehmen nannte er »suboptimal«. Und nach einigen Wochen räumte er den Platz für die Frau, der er am Wahlabend das Amt nie und nimmer überlassen wollte.
Endlich Luft machte sich die eingeschnürte Parteiseele bei den Sozialdemokraten, als Schröder auch noch ein hohes Amt bei der russischen Ostsee-Pipeline übernahm - ein Projekt, das er als Kanzler selbst angeschoben hatte, zuviel für manchen Genossen.
In der Union weckten zum Jahresbeginn die Doppelverdiener Hermann-Josef Arentz und Generalsekretär Laurenz Meyer große Ängste vor neuen Raffke-Vorwürfen.Fortsetzung
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Artikel vom 31.12.2005