23.12.2005 Artikelansicht
Ausschnitt Zeitungsausschnitt
Drucken Drucken

 

Witwe vermisst
Vermögen von
zwei Millionen

Klage gegen Rechtsanwalt erhoben

Von Christian Althoff
Herford (WB). Eine Witwe aus Herford hat ihren früheren Rechtsanwalt und Notar verklagt. Der Bielefelder Steuerberater, den das Amtsgericht Herford als Betreuer der Witwe eingesetzt hat, geht davon aus, dass der Rechtsannwalt innerhalb weniger Jahre mehr als zwei Millionen Euro aus dem Vermögen der Frau und ihres im Sommer verstorbenen Mannes veruntreut hat. Der Anwalt bestreitet die Vorwürfe.

Zwischen dem Herforder Arztehepaar und dem Rechtsanwalt hatte ursprünglich eine familienähnliche Bindung bestanden. Deshalb hatten die hochbetagten Eheleute dem Anwalt 1999 vorausschauend eine Generalvollmacht und einen Betreuungsauftrag erteilt. Beides sollte allerdings nur im Fall der Geschäftsunfähigkeit oder Betreuungsbedürftigkeit der alten Leute wirksam werden.
In der Klageschrift, die dem Landgericht Bielefeld vorliegt, werden mehrere Vorwürfe gegen den Anwalt erhoben. So soll er im Namen der Eheleute eine Immobilien-GmbH & Co KG gegründet haben, in die er ein Mietshaus mit 15 Wohnungen sowie vier Eigentumswohnungen des Ehepaares überführte. »Dem Ehepaar sagte er, das geschehe aus Gründen der Steuerersparnis«, sagt der Steuerberater. In der Folgezeit soll der Anwalt mit Hilfe seiner Generalvollmacht die Anteile der Eheleute an der Immobilienfirma in Form von Schenkungen auf sich, seine Frau und einen Sohn übertragen haben - angeblich ohne Wissen des Ehepaares. Den Wert der Immobilien gibt der Steuerberater mit etwa 1,4 Millionen Euro an.
In der Klage heißt es weiter, der Rechtsanwalt habe für sich, seine Frau und zwei Söhne Kreditkarten ausstellen lassen, mit denen an Geldautomaten und Bankschaltern über das Konto der Eheleute bei der Sparkasse Herford verfügt worden sei. Auch Wertpapiere über 600 000 Euro sollen verschwunden sein. In der Klage heißt es zudem, der Anwalt habe Arztrechungen der Frau von deren Konto beglichen, sich die Erstattungen von der privaten Krankenversicherung aber auf sein Konto überweisen lassen.
Als dem Amtsgericht Herford die Transaktionen des Rechtsanwaltes auffielen und es im September 2004 den Bielefelder Steuerberater zum Kontrollbetreuer bestimmte, sollen sich nur noch 70 000 Euro sowie ein Wertpapierdepot in der Schweiz im Besitz des Ehepaares befunden haben. Der Rechtsanwalt hatte damals vor dem Landgericht Bielefeld und später vor dem Oberlandesgericht Hamm vergeblich versucht, die Bestellung eines Kontrollbetreuers zu verhindern.
Das Ehepaar, das zuletzt in einem Herforder Seniorenheim lebte, soll von den zahlreichen Finanztransaktionen auch deshalb nichts mitbekommen haben, weil sämtlich Post an den Rechtsanwalt ging. Dieser lehnt es nach Angaben der Witwe bis heute ab, ihr die Unterlagen über die Finanzgeschäfte auszuhändigen und Rechenschaft abzulegen.
Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt seit nunmehr einem Jahr wegen des Verdachtes der Untreue gegen den Rechtsanwalt und Notar und hat bei ihm durchsucht. »Ein Abschluss des Verfahrens ist noch nicht abzusehen«, sagte gestern Oberstaatsanwalt Reinhard Baumgart. Er habe inzwischen sowohl die Zivilklage als auch eine schriftliche Stellungnahme des Beschuldigten vorliegen: »Der Anwalt beruft sich darauf, im Rahmen seiner Generalvollmacht gehandelt zu haben und gibt an, dass - zum Teil mündliche - Schenkungen der Witwe zu den Vermögensübertragungen geführt haben.«

Artikel vom 23.12.2005