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 n Die Mitbewohner...


...sind merkwürdig


Welchen Vorteil hat eine Fernbeziehung? In keiner anderen partnerschaftlichen Konstellation erlebt man so viel. Nicht unbedingt miteinander, sondern mit anderen. Menschen, von denen man sonst drei Meter Abstand hält.
An eben diese war ihr Freund geraten. In München. In einer WG, für die er sich in weniger als zwei Sekunden entscheiden musste, da ihm sonst nur eine Brücke als Dach geblieben wäre. Die WG war nicht schön, nicht billig, aber sie war frei. Zumindest ein kleines Zimmer war zu haben, das, wie alle anderen auch, einem Studenten gehörte, der mit den Mieteinnahmen seine kleinen und großen Bedürfnisse bezahlen sollte. Hatte Mama so gesagt.
Diese Wohnung teilte sich der Neu-Münchner mit einem Mädel und einem jungen Mann. Sie: verschwiegen und immer in schwarz. Er: redselig und nie nüchtern. Die Drei kamen irgendwie klar. Und nach drei Wochen traute er sich sogar, seine Freundin in die neue Bleibe einzuladen.
Diese war nicht begeistert, aber auch nicht so entsetzt, wie sie erwartet hatte. Von dem Mann mit dem ungestillten Gesprächsbedürfnis ließ sie sich ein Bier aufschwatzen. Die Verschwiegene ließ sich nicht blicken.
Im Nachhinein war das auch gut so: Wahrscheinlich hätte sie sonst ihre Schlange mitgeführt. Oder eines der in Spiritus eingelegten Tiere. Still und heimlich übrigens. Von der Schlange bekam der Neu-Mieter erst etwas mit, als sie tot auf der Straße lag. Jemand hatte sie mit Pfefferspray betäubt und aus dem Fenster geworfen. Vielleicht war es der Redselige? Den wollte die Polizei nämlich eines Tages abholen. Da war er aber schon weg, lange nach der verschwiegenen Schwarzen. Welche Umstände einen doch plötzlich zum Einzelmieter machen. Laura-Lena Förster

Artikel vom 10.01.2006