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Bundeswehr nach Nordafghanistan

Nur noch 500 Soldaten in Kabul - Rumsfeld lehnt raschen Abzug ab

Kabul (dpa). Die Bundeswehr zieht die Mehrheit der deutschen Soldaten aus Kabul ab und verlagert den Schwerpunkt ihrer Operationen 2006 nach Nordafghanistan. Wichtigster deutscher Stützpunkt wird dann Masar-i-Sharif.

Von den derzeit 1400 Bundeswehr-Soldaten sollten bis Ende 2006 nur noch 500 in der afghanischen Hauptstadt eingesetzt werden, sagte Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) gestern bei einem Besuch ein Kabul. Der Minister warnte zugleich: »Wir haben hier heimtückische Anschläge, auf die wir uns einstellen müssen.« Den Einsatz deutscher Soldaten in Unruheprovinzen schloss Jung aus.
Auf die Internationale Schutztruppe ISAF wurden seit Mitte vergangenen Monats vier Selbstmordanschläge verübt. Bei einem der Anschläge war am 14. November auch ein deutscher ISAF-Soldat getötet worden. »Das ist ein gefährlicher Einsatz«, sagte Jung. »Politisch darf man die Soldaten nicht alleine lassen.« Jung sagte, künftig werde die Bundeswehr ihre Aufgaben vorrangig im Norden Afghanistans wahrnehmen.
Jung betonte, die Ausrüstung der Truppe sei optimal. Der Minister übergab den deutschen Soldaten bei seinem Besuch sechs gepanzerte Fahrzeuge vom Typ Dingo. Nach Angaben der Bundeswehr sind von den 950 deutschen Fahrzeugen 400 gepanzert. »Diese Zahl ist ausreichend«, sagte der Kommandeur des deutschen ISAF-Kontingents, Achim Lidsba. »Das entspricht der Gefährdungslage.« Jung sagte an die Adresse der Soldaten: »Ich bin mehr als dankbar für das, was die Bundeswehr hier leistet.«
US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat einen raschen Abzug der US-Truppen aus Afghanistan und dem Irak erneut als zu riskant abgelehnt. Ein solcher Schritt würde nur zu mehr Terrorismus in der Region führen und die Gefahr von Angriffen auf die USA erhöhen, sagte Rumsfeld gestern vor US-Soldaten in Afghanistan. Rumsfeld hatte angeordnet, bis zum Frühjahr die Zahl der in Afghanistan stationierten US-Soldaten um 2500 auf 16 500 zu verringern. Sowohl in der amerikanischen Öffentlichkeit als auch im US-Kongress schwindet die Zustimmung für die Militäreinsätze in Afghanistan und im Irak.
Der Deutsche Journalisten-Verband kritisiert, dass sich deutsche Soldaten in Bosnien bei nachrichtendienstlichen Ermittlungen offenbar als Journalisten ausgegeben haben. »Wenn Soldaten in journalistischem Deckmantel auftreten, verstoßen sie nicht nur gegen Vorschriften der Bundeswehr, sondern gefährden auch die Sicherheit von Journalisten in Krisengebieten«, erklärte der DJV-Vorsitzende Michael Konken. Die ARD hatte berichtet, zwei Bundeswehr-Soldaten hätten sich bei der Frau eines Gefangenen im US-Lager Guantanamo auf Kuba im Juli 2003 als deutsche Journalisten vorgestellt. Wie berichtet, hätten sie ihr Fragen über ihren Mann Bensayah Belkacem gestellt, Dokumente eingesehen sowie Fotos von ihr und ihren beiden Töchtern gemacht.
Das Verteidigungsministerium bestätigte interne Untersuchungen in dem Fall. Sollten Soldaten gegen Vorschriften verstoßen haben, würden sie zur Verantwortung gezogen, sagte ein Sprecher. Das militärische Nachrichtenwesen habe den Auftrag zum Schutz des deutschen Kontingents in dessen Umfeld Informationen zu gewinnen. Dazu gebe es jedoch eindeutige Weisungen. So seien die Soldaten verpflichtet, in Uniformen aufzutreten. Die Annahme von Scheinidentitäten sei nicht vorgesehen.

Artikel vom 23.12.2005