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Allergiker im Abseits: Pollen sind bei der Fußball-Weltmeisterschaft ihr stärkster Gegner.

ÄDA zeigt Pollen die rote Karte

Experten rechnen bei der Fußball-Weltmeisterschaft mit starkem Pollenflug

Die Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland steht vor der Tür. Nicht nur deutsche Fans freuen sich auf dieses sportliche Großereignis. Experten warnen nun aber vor einer bislang wenig beachteten Problematik: Das Jahr der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland wird für Allergiker voraussichtlich eine erhebliche Pollenbelastung und entsprechende Beschwerden bringen. »Aufgrund langjähriger Erfahrungen erwarten wir für 2006 eine besonders hohe Pollenbelastung«, so Professor Dr. Ludger Klimek, Wiesbaden, vom Ärzteverband Deutscher Allergologen (ÄDA).
In der vergangenen Saison, also 2005, sind Pollen von Hasel und Erle, den wichtigsten Frühblühern, relativ spät und witterungsbedingt auch nur über einen recht kurzen Zeitraum unterwegs gewesen. Der Birkenpollenflug war eher schwach. Denn die Birke hat nur alle zwei Jahre ein so genanntes Mastjahr: In den ungeraden Jahren blüht sie schwächer und in den geraden Jahren - also das nächste Mal 2006 - wieder stärker. Hinzu kommt ein Jahreszyklus, nach dem im neuen Jahr auch bei anderen Pflanzen mit einer besonders intensiven Produktion von Pollen zu rechnen ist. Im Juni und Juli 2006, genau während der Fußball-WM, erwarten Allergieexperten an den Austragungsorten, dass der Pollenflug von Gräsern, Getreiden, Beifuß und Brennnessel vielen Menschen große Probleme bereiten wird. Auch Schimmelpilzsporen verursachen bei einigen Patienten im Spätsommer Allergie- und Asthmasymptome. Fußballfreunde mit bekannten Allergien auf diese Pollen sollten daher besonders wachsam sein.
Wer trotz des eher mäßigen Pollenflugs schon im Jahr 2005 unter Allergiebeschwerden litt, dem rät Professor Klimek, unbedingt einen Allergie-Experten aufzusuchen. »Wenn Sie Heuschnupfen-Beschwerden oder Asthma hatten, ist der Herbst der ideale Zeitpunkt, um zum Allergologen zu gehen. Im Herbst, also nach dem Pollenflug, sollte die Allergie untersucht werden, um sie langfristig mit einer spezifischen Immuntherapie (SIT), auch Hyposensibilisierung genannt, in den Griff zu bekommen.« Diese Behandlung dauert zwar etwa drei Jahre, aber schon im ersten Behandlungsjahr verbessern sich die Symptome meistens deutlich.
Professor Klimek betont jedoch in erster Linie die langfristigen Erfolge der Behandlung: »Die Immuntherapie ist die einzige Therapiemöglichkeit für Allergien, die die Ursachen der gestörten Immunreaktion beseitigt und somit den langfristigen Verlauf der Erkrankung positiv beeinflusst.«
Zudem kann in vielen Fällen nur die Immuntherapie das Fortschreiten des Heuschnupfens zum Asthma - den so genannten Etagenwechsel - verhindern.
Allergologen raten zur Immuntherapie, wenn ein Patient länger als vier Wochen im Jahr unter allergischem Schnupfen leidet - selbst wenn die Symptome nur leicht sind. Bei der SIT wird dem Patienten ein molekular standardisiertes Allergenpräparat mit der Substanz, auf die er allergisch reagiert, in langsam ansteigender Dosierung regelmäßig unter die Haut injiziert. Alternativ kommen Präparate zum Einsatz, die unter die Zunge getropft werden (sublinguale Immuntherapie).
Dadurch setzt ein langfristig anhaltender Gewöhnungseffekt ein: Das Immunsystem löst keine Abwehrreaktion mehr aus, wenn es mit dem Allergen konfrontiert wird. Die Beschwerden nehmen dauerhaft deutlich ab, und die Patienten benötigen weniger antiallergische Medikamente. In vielen Fällen bildet sich die allergische Reaktionsbereitschaft des Immunsystems sogar vollständig zurück - der Patient ist dann von seiner Allergie geheilt. Bei einer Pollenallergie betragen die Erfolgsquoten der Immuntherapie etwa 90 Prozent.
Voraussetzung für die Wirksamkeit der Immuntherapie ist die Untersuchung durch einen erfahrenen Allergologen. Er kann zuverlässig feststellen, ob eine Allergie vorliegt und gegen welche Substanzen sie sich richtet. Erst dann lassen sich die Therapiemaßnahmen individuell auf den einzelnen Patienten abstimmen und optimale Behandlungserfolge erzielen. Professor Klimek: »Die Behandlung durch den Allergie-Experten stellt sicher, dass die Weltmeisterschaft zumindest unter allergologischen Gesichtspunkten ein voller Erfolg wird.«
Fast 60 Prozent der Heuschnupfen-Patienten verspüren zusätzlich beim Verzehr bestimmter Nahrungsmittel Kribbeln, Brennen oder ein pelziges Gefühl an Lippen und Gaumen. Wenn es ganz schlimm kommt, schwillt die Rachenschleimhaut an, und die Luft wird knapp. Durch akute Atemnot oder einen Kreislaufzusammenbruch kann sogar Lebensgefahr bestehen.
Für diese Beschwerden ist meistens eine so genannte Kreuzallergie verantwortlich, die auch »pollenassoziierte Nahrungsmittel-Allergie« genannt wird. Ihre Ursache: Die Allergene aus Gräser-, Kräuter- oder Baumpollen gleichen in ihrer Struktur bestimmten Eiweißstoffen in verschiedenen Früchte- oder Gemüsesorten. Ist das Immunsystem auf ein Pollenallergen sensibilisiert, spielt es auch beim Kontakt mit entsprechenden Strukturen in diesen Nahrungsmitteln verrückt. Baumpollen-Allergiker vertragen deshalb oft keine Äpfel, Kirschen, Pflaumen, Nüsse, Kiwi und Erdbeeren. Menschen mit einer Allergie auf Gräser und Getreide können Probleme beim Verzehr von Getreideprodukten und Hülsenfrüchten wie Erdnüssen oder Soja bekommen. Und für Kräuterpollen-Allergiker, besonders bei einer Allergie auf Beifuß, können Sellerie, Mohrrüben und viele Gewürze gefährlich sein.
Auch bei der Kreuzallergie gilt: Lassen Sie die richtige Diagnose von einem Allergologen stellen. Den auslösenden Stoffen bei einer Nah-rungsmittelallergie auf die Spur zu kommen ist nicht ganz einfach, aber entscheidend für die richtige Behandlung. Meist müssen die Allergieauslöser vom Speiseplan gestrichen werden.
Auf keinen Fall sollte man aber auf eigene Faust alle möglichen Lebensmittel weglassen. Dadurch droht eine Unterversorgung mit wichtigen Nährstoffen. Gegen die Symptome einer pollenassoziierten Nahrungsmittel-Allergie helfen antiallergische Medikamente wie Antihistaminika. Patienten, bei denen es durch Nahrungsmittel bereits zu einem allergischen Schock gekommen ist, sollten ein Notfallset mit Antihistaminika, Kortison und Adrenalin bei sich tragen.

Artikel vom 03.02.2006