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Betriebsprüfer
braucht das Land

Steuergewerkschaft schlägt Alarm

Von Michael Diekmann
Bielefeld (WB). Die Betriebsprüfer im Land schlagen Alarm: Allein im laufenden Kalenderjahr können in NRW 350 Millionen Euro Steuern nicht festgesetzt werden, weil in 3500 Betrieben keine steuerliche Prüfung stattfindet. Seit 2003 fehlen mehr als 300 Betriebsprüfer.

Vertreter des in Bielefeld ansässigen Finanzamtes für Groß- und Konzernbetriebsprüfung mit Außenstellen in Bünde, Herford, Gütersloh und Wiedenbrück bemängelten Dienstag bei der Jahreshauptversammlung der Deutschen Steuergewerkschaft (DSTG) nicht nur den aktuellen Stand, sondern auch die Aussichten für die kommenden Jahre: Die Zahl der Prüfer sinkt weiter, wenn nicht bei der Ausbildung des Nachwuchses konsequent zugelegt wird. DSTG-Ortsvorsitzender Peter Nauermann: »Die Finanzverwaltung steht für die Einnahmenseite des Landes. Was hier versäumt wird, kann auf der Ausgabenseite allein nicht wieder eingeholt werden, um die Haushaltsituation des Landes insgesamt zu verbessern.«
Allein NRW hat seit 2003 auf mehr als eine Milliarde Euro an betrieblichen Steuern verzichtet. Ein hohes Maß an Steuerungerechtigkeit, finden nicht nur die »normalen« Steuerbürger mit ihrer Lohnsteuererkärung. Die müssen, wie DSTG-Vorstandsmitglied Vera Dietrich betont, Lohnsteuer im voraus bezahlen und für Erstattungen am Jahresende selbst aktiv werden. Dagegen kommt in Kleinstbetrieben eine Betriebsprüfung seltener vor als ein Generationswechsel, sagt die Statistik, nämlich alle 62 Jahre - in Kleinbetrieben wenigstens alle 26 Jahre.
Mehr als 1,4 Millionen zu prüfende Betriebe haben ihren Sitz in NRW. Davon wurden im vergangenen Jahr 44 750 steuerlich geprüft. Das sind nur 3,1 Prozent der gesamten Betriebe. Dietrich: »Seit 2001 ist die Zahl der Betriebe um 82 000 gestiegen. Anstelle den Finanzämtern Personal zuzuführen, wurden in der gleichen Zeit mehr als 3000 Stellen abgebaut.« Als Großbetriebe gelten zum Beispiel Handelsbetriebe mit mehr als 6,25 Millionen Euro Jahresumsatz oder Freiberufler mit einem Gewinn bis 485 000 Euro.
Zusätzliche Prüfer in den Finanzämtern können über die Einnahmenseite wesentlichzur Sanierung der öffentlichen Kassen beitragen. Nach Auskunft von DSTG-Sprecher Gerd Gemkow kostet ein Betriebsprüfer das Land mit Gehalt und Pensionsfonds pro Jahr durchschnittlich 60 000 Euro, Gleichzeitig trägt statistisch jeder Prüfer 1,4 Millionen Euro Mehrsteuern ein. Nauermann: »Fehlt also immer mehr Personal, wird auch das Verlustgeschäft für das Land immer größer.« Gemkow:»So lange nur 3,1 Prozent der Betriebe jährlich geprüft werden und Arbeitnehmer über die Lohnsteuer zu 100 Prozent an der Quelle besteuert werden, kann von Gleichmäßigkeit in der Besteuerungspraxis nicht die Rede sein.« Die Gewerkschafter fordern die Landesregierung deshalb auf, mit einer entsprechenden Personalplanung für eine deutliche Verstärkung der Betriebsprüfungen und Außendienste ab 2009 zu sorgen und 2006 mindestens 950 Nachwuchskräfte neu zu verpflichten. Nauermann: »Deren Ausbildung dauert drei Jahre.« Genau 2009 reißt aber die Pensionierung zahlreicher Prüfer eine massive Lücke nicht nur in den Personalstamm des Bielefelder Amtes. Die Situation ist in allen sechs Dienststelleninnerhalb der Oberfinanzdirektion Münster ähnlich gelagert.

Artikel vom 21.12.2005