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1350 Menschen
mussten neue
Bleibe suchen

Hartz-IV-Bezieher in billigere Wohnungen

Von Michael Schläger
Bielefeld (WB). 1350 Bezieher von Arbeitslosengeld II in Bielefeld mussten in diesem Jahr in günstigeren Wohnraum umziehen, weil ihre alten Wohnungen nach den Hartz-IV-Bestimmungen zu teuer waren. Dieses trage zur weiteren Abwertung der Betroffenen bei, kritisiert der Westfälische Herbergsverband, der sich im Diakonischen Werk Westfalen um Wohnungslose kümmert.

Eine Kritik, die Georg Epp von städtischen Sozialverwaltung nicht akzeptieren mag: »Wir fordern nicht zum Wohnungswechsel auf, sondern zur Senkung der Unterkunftskosten.« 2140 solcher Aufforderungen seien im zu Ende gehenden Jahr ausgesprochen worden. In 1350 Fällen habe es einen Wohnungswechsel gegeben. Die übrigen Wohnungsinhaber hätten die Mehrkosten der Unterkunft aus Eigenmitteln getragen - etwa finanziert über einen Ein-Euro-Job -, oder Verwandte seien eingesprungen. In sechs Prozent der Fälle sei ein Umzug nicht zumutbar gewesen. Für das kommende Jahr rechnet Epp mit 1000 Wohnungswechslern.
In Bielefeld gilt eine Nettokaltmiete von 4,64 Euro je Quadratmeter als Obergrenze für Hartz-IV-Empfänger. Bei der Wohnungsgröße zeigt sich die Verwaltung großzügiger als andernorts. Eine Einzelperson darf eine bis zu 53 Quadratmeter große Wohnung nutzen. Die eigentlich vorgeschrieben Grenze läge bei 45 Quadratmetern. Ein Vier-Personen-Haushalt kann eine 90-Quadratmeter-Wohnung beziehen.
»Wichtiger ist uns, dass die Mietkosten im vorgegebenen Rahmen bleiben«, sagt Epp. Und der liegt bei einem Ein-Personen-Haushalt bei 245,92 Euro Kaltmiete im Monat, bei einem Vier-Personen-Haushalt bei 417,60 Euro. Für den Wohnraum der 20 500 Bedarfsgemeinschaften von Hartz-IV-Beziehern in Bielefeld musste die Verwaltung in diesem Jahr 87 Millionen Euro aufbringen. 27 Millionen davon flossen als Bundeszuschuss zurück an die Stadt.
»Die erzwungenen Umzüge bedeuten für die betroffenen Arbeitslosen oft zusätzliche Verschuldung, weil die Kosten als Darlehen aus Mitteln des Arbeitslosengeldes II finanziert werden«, meint der Westfälische Herbergsverband. Vor allem Kinder litten, wenn umzugsbedingt Freundschaften zerbrächen, die Schule gewechselt werden müsste. Epp verweist auf die großzügige Praxis in Bielefeld, die selbst von Betroffenen-Verbänden anerkannt werde: »Die Selbsthilfegruppe Tacheles in Wuppertal lobt ausdrücklich das Bielefelder Vorgehen.«

Artikel vom 21.12.2005