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Schöner Schein will gut gemalt sein

Clara Delius absolvierte Ausbildung an renommierter Schule in Brüssel

Von Carsten Borgmeier
Bielefeld (WB). Mit gezieltem Blick und ruhiger Hand führt sie den Pinsel über die Fläche. Hier noch ein Tupfer Beige, dort noch ein Strich Grau und das Werk ist fertig.

Am gemauerten Kamin im elterlichen Wohnzimmer hat Clara Delius bewiesen, was sie zuvor in einer der angesehensten Kunstschulen Europas gelernt hat: Die 22-Jährige ist nach bestandener Prüfung Dekorationsmalerin und jetzt eine Meisterin im Vortäuschen falscher Oberflächen. Nur Experten sehen, dass der Kamin nicht aus echtem Marmor ist.
Seit vielen Generationen ist die Brüsseler Malschule Van der Kelen die allererste Adresse für junge Dekorations- und Imitationskünstler. Aus der ganzen Welt bewerben sich dort junge Menschen um eine Ausbildung, die sechs Monate dauert. Wer schließlich einen der nur 30 Plätze pro Lehrgang in der 1882 gegründeten Künstlerschmiede erhält, darf sich getrost als Glückspilz bezeichnen.
Clara Delius aus Bielefeld startete Ende 2003 die begehrte Ausbildung und beendete ihre Brüsseler Zeit sogar mit Auszeichnung: Als Anerkennung für ihr Talent und Können erhielt die ehemalige Schülerin des Ceciliengymnasiums eine Silbermedaille mit Diplom. Die junge Frau steht mit ihrem in Deutschland seltenen Lehrberuf in der Jahrhunderte alten Tradition berühmter Dekorationsmaler, die die Räume von Schlössern und Burgen von Kaisern und Königen verschönerten. Denn oftmals war das Protz- und Prunkgehabe der Herrscher Grund für ein sicheres Einkommen der Meister des schönen Scheins. »Es geht jedoch nicht um das Abmalen und Kopieren der Oberflächen von Marmor oder Holz«, berichtet Clara Delius, »eine gelungene Wanddekoration hat eine eigene Gestaltung, eine eigene Ausstrahlung.«
Von einer Cousine hatte die Bielefelderin von der harten, aber guten Ausbildung in Belgien erfahren und bereits während der Abiturphase entsprechende Bilder mit Acryl-, Wasser- und Ölfarben gemalt. Rückblickend sieht die Tochter von Textilunternehmer Johannes Delius und Ehefrau Stephanie das Van-der-Kelen-Seminar nicht nur als Mal-, sondern auch als Charakterschule.
Denn neben dem fordernden Unterricht an den Staffeleien sei das multikulturelle Leben im angeschlossenen Internat mit Schülern aus aller Welt eher karg gewesen, so die Bielefelderin. Die Hohe Schule des schönen Scheins in Brüssel - sie ist für Clara Delius ein wichtiger und prägender Baustein ihrer beruflichen Karriere.

Artikel vom 21.12.2005