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Arbeitslose als Erntehelfer

Kabinett verschärft auch die Besteuerung von Dienstwagen

Berlin (dpa/Reuters). Die Bundesregierung will mehr Arbeitslose als Erntehelfer einsetzen. Sie sollen bis zu 32 000 ausländische Saisonarbeitskräfte ersetzen, etwa bei der Weinlese, im Gastgewerbe oder beim Spargelstechen.
Dies beschloss das Bundeskabinett gestern in Berlin und folgte damit einem Vorschlag von Bundesarbeitsminister Franz Müntefering (SPD). Im zu Ende gehenden Jahr waren 325 000 Helfer aus Mittel- und Osteuropa in Deutschland im Einsatz. Kritik kam vom Bauernverband und von den Grünen.
Die Neuregelung sieht vor, dass künftig bis zu 260 000 ausländische Saisonarbeitskräfte (80 Prozent von 325 000) ohne individuelle Prüfung in Deutschland arbeiten dürfen. Über die 80 Prozent hinausgehende Zulassungen sind nur möglich, wenn für die Tätigkeit kein inländischer Erwerbsloser gefunden werden kann. In Kleinbetrieben dürfen ohne Prüfung weiterhin bis zu vier ausländische Helfer befristet arbeiten. Die Bundesagentur für Arbeit sagte verstärkte Vermittlungsanstrengungen zu.
Der Deutsche Bauernverband (DBV) kritisierte die neue Regelung. Positive Effekte für den Arbeitsmarkt durch Schaffung neuer sozialversicherungspflichtiger Arbeitsplätze werden nach DBV-Einschätzung ausbleiben.
Die Bundesregierung hat gestern auch neue Vorschläge zur Sanierung des maroden Haushalts auf den Weg gebracht. Das Regelwerk sieht unter anderem vor, dass überwiegend privat genutzte Dienstwagen von Selbstständigen künftig nicht mehr pauschal mit einem Prozent besteuert werden. Beträgt der Anteil der privaten Nutzung mehr als 50 Prozent, müssen die Steuerpflichtigen dem Finanzamt genau darlegen, welche Aufwendungen dienstlich und welche privat sind. Ferner soll nach dem Regelwerk künftig der Verkauf von Tankquittungen zur Vortäuschung von Kfz-Ausgaben untersagt sein und als Steuerordnungswidrigkeit verfolgt werden.
Die deutsche Automobilindustrie hat die neue Firmenwagenregelung kritisiert. Sie widerspreche dem erklärten Ziel der Bundesregierung zum Bürokratieabbau, sagte der Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), Bernd Gottschalk, gestern in Frankfurt. »Darüber hinaus verteuert sie Firmenwagen und führt zur weiteren Verunsicherung gerade in einer Zeit, in der nichts dringlicher wäre als eine Verstetigung des Aufschwungs. Bei den Betroffenen gehe es um den Bereich der selbstständig Beschäftigten, darunter insbesondere Handwerker, Gewerbetreibende, Monteure, Außendienstler und Freiberufler - also um einen Personenkreis, der besonders auf Mobilität angewiesen sei.
Der von der Bundesagentur für Arbeit (BA) für 2006 erwartete Überschuss von 1,8 Milliarden Euro soll nach dem Willen der Bundesregierung den »Grundstock« für die 2007 angepeilte Beitragssenkung zur Arbeitslosenversicherung sein. Das Bundeskabinett billigte gestern den BA-Haushalt mit Einnahmen in Höhe von gut 52,1 Milliarden Euro und Ausgaben von etwa 50,3 Milliarden Euro. Die schwarz-rote Koalition will den Beitragssatz zur Arbeitslosenversicherung Anfang 2007 von derzeit 6,5 auf 4,5 Prozent senken. Seite 4: Kommentar

Artikel vom 21.12.2005