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Mondsucht rettet Vergewaltiger

Somnambulie: Geschworenengericht York spricht 22-Jährigen frei

London (dpa). Seine Mondsucht (Somnambulie) hat einen Briten davor bewahrt, wegen Vergewaltigung verurteilt zu werden.
Er könne sich nicht im Geringsten an eine der drei Sexattacken erinnern, die ihm vorgeworfen wurden, machte der 22-Jährige nach Angaben der »Times« geltend. Das Geschworenengericht in der nordenglischen Stadt York sprach den Mann frei, nachdem Gutachter bestätigten, dass er seit dem 13. Lebensjahr an Somnambulie leidet.
Die Mondsucht, auch als Schlafwandeln oder Nachtwandeln bekannt, ist ein Zustand, in dem der Schlafende unbewusst in vielfältiger Form aktiv wird, ohne daran später eine Erinnerung zu haben. Der jetzt frei gesprochene Mann war in einem der Fälle von einer Bekannten der Vergewaltigung bezichtigt worden. Nach ihrer Aussage hatte sie bei ihm auf dem Sofa übernachtet, als der Mann sich plötzlich über sie hermachte. Sie habe sich vergeblich gewehrt.
Die Verteidigung räumte ein, dass es wohl völlig unbewusst zu sexuellen Handlungen gekommen sei. Der Mann sei danach wieder in den Schlaf gefallen. Er sei zwar auf dem Sofa anstatt im eigenen Bett aufgewacht, habe aber keinerlei Erinnerung an die nächtliche Wachzeit. Ähnlich »unschuldig« sei der Mann bei den beiden anderen Sexattacken gewesen, die ihm zur Last gelegt wurden.
Der Gutachter Ishaad Ebrahim erklärte dem Gericht nach Angaben der Zeitung, etwa 1 bis 2,5 Prozent der britischen Bevölkerung würden unter der medizinisch allgemein anerkannten Krankheit der Mondsucht leiden. Nur 4 Prozent dieser Schlafwandler seien während der unbewussten Wachphasen sexuell aktiv.
Der Freispruch fiel in eine Zeit, da sich die britische Justiz um höhere Verurteilungsquoten bei Sexualstraftaten bemüht. Bei nur 5,6 Prozent aller Vergewaltigungs-Prozesse in Großbritannien kommt es zu einer Bestrafung. Das ist laut »Times« die geringste Rate Europas mit Ausnahme Irlands. Erst im November hatte ein britisches Gericht die Vergewaltigungsklage einer Frau abgewiesen, weil diese volltrunken gewesen sei und daher für den Mann nicht klar gewesen sei, dass sie keinen Sex wollte.

Artikel vom 21.12.2005